Rabattaktionen im Einzelhandel – BGH konkretisiert Anforderungen

Nach der richtungsweisenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 26. September 2024, C-330/23 (s. EuGH stärkt Verbraucherschutz bei Rabattaktionen: Einzelhändler müssen bei Preisangaben umdenken) hat nun auch der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 9. Oktober 2025 (Az. I ZR 183/24 – Netto Marken-Discount) zur Transparenz bei Preisermäßigungen Stellung genommen und die Anforderungen an Preiswerbung weiter präzisiert. Der BGH bekräftigt damit die vom EuGH entwickelten Grundsätze, wonach bei jeder Werbung mit Preisnachlässen der sogenannte Referenzpreis, also der niedrigste Gesamtpreis, der in den letzten dreißig Tagen vor der Preisermäßigung verlangt wurde, unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar angegeben werden muss.

Ausgangspunkt des Verfahrens war eine Werbeaktion des Discounters Netto, in deren Rahmen eine bestimmte Kaffeemarke zu einem Preis von 4,44 Euro angeboten und daneben ein durchgestrichener Preis von 6,99 Euro angegeben wurde. Der höhere Preis wurde lediglich durch eine kleine Fußnote erläutert, in der auf den bisherigen dreißig-Tage-Bestpreis verwiesen wurde. Tatsächlich war der Kaffee in den Wochen zuvor wiederholt zu 4,44 Euro erhältlich gewesen, sodass der ausgewiesene Streichpreis nicht dem tatsächlich niedrigsten Preis der letzten dreißig Tage entsprach. Die Wettbewerbszentrale sah darin eine Irreführung der Verbraucher und klagte mit Erfolg. Der BGH bestätigte damit die zuvor ergangenen Urteile des Landgerichts Amberg vom 29. Januar 2024 (Az. 41 HK O 334/23) und des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 24. September 2024 (Az. 3 U 460/24).

Nach § 11 Abs. 1 der Preisangabenverordnung muss bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung der niedrigste Gesamtpreis angegeben werden, den der Händler in den letzten dreißig Tagen vor der Preisreduzierung für das betreffende Produkt verlangt hat. Diese Regelung dient der Umsetzung von Artikel 6a der Richtlinie 98/6/EG über den Verbraucherschutz bei der Angabe der Preise. Der BGH hebt hervor, dass sich aus dem in § 1 Abs. 3 Satz 2 PAngV verankerten Gebot der Preisklarheit ergibt, dass der Referenzpreis für Verbraucher klar erkennbar und leicht auffindbar sein muss. Die Erläuterung in einer Fußnote oder in schwer lesbarer Schrift genügt diesen Anforderungen nicht. Eine derartige Gestaltung stellt eine Irreführung im Sinne der §§ 5a Abs. 1, 2 Nr. 2 und 5b Abs. 4 UWG dar, da den Verbrauchern eine wesentliche Information vorenthalten bzw. nur schwer erkennbar gemacht wird.

Bereits der Europäische Gerichtshof hatte im bereits zitierten Urteil entschieden, dass sich eine Preisermäßigung zwingend auf den tatsächlich niedrigsten Preis der vorausgegangenen dreißig Tage beziehen muss. Die Bezugnahme auf einen zuvor künstlich erhöhten Preis verstößt gegen die Preisangabenrichtlinie. Die deutsche Rechtsprechung schließt sich dieser Auslegung nun ausdrücklich an und konkretisiert sie im Rahmen des nationalen Rechts. Damit ist klargestellt, dass Preisermäßigungen nur dann zulässig sind, wenn der zugrunde gelegte Referenzpreis den tatsächlichen Niedrigstpreis der vergangenen dreißig Tage wiedergibt und für Verbraucher deutlich erkennbar angegeben wird.

Für Unternehmen ergeben sich daraus klare praktische Konsequenzen. Preisaktionen dürfen künftig nur dann beworben werden, wenn der Referenzpreis transparent und nachvollziehbar angegeben wird. Der Spielraum von etwaigen Umgehungen wird deutlich eingegrenzt. Wer den Hinweis auf den dreißig-Tage-Niedrigstpreis versteckt oder unklar formuliert, riskiert wettbewerbsrechtliche Abmahnungen und gerichtliche Unterlassungsansprüche. Händler sollten daher ihre Werbegestaltung und Preisstrategien überprüfen und sicherstellen, dass Preisermäßigungen den Vorgaben der Preisangabenverordnung in Verbindung mit dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb entsprechen.

Mit der Entscheidung bestätigt der Bundesgerichtshof nicht nur die bereits in den Vorinstanzen herausgebildete Rechtsprechung, sondern trägt zugleich zu einer europäischen Harmonisierung der Anforderungen an Preisangaben bei. Aus italienischer Perspektive ist festzuhalten, dass sich die deutsche Rechtsprechung damit einer Entwicklung angleicht, die sich in der italienischen Rechtspraxis bereits seit einiger Zeit beobachten lässt. Die italienische Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren wiederholt enge Grenzen für Preisangaben und Rabattaktionen gezogen, während die zuständigen Wettbewerbsbehörden empfindliche Sanktionen verhängt haben. Im gesamteuropäischen Kontext fügt sich das Urteil des Bundesgerichtshofs somit in eine zunehmend kohärente und verbraucherorientierte Auslegung ein, die auf eine klare, überprüfbare und nachvollziehbare Preisgestaltung im Einzelhandel abzielt.

Kündigung per WhatsApp im italienischen Arbeitsrecht

WhatsApp ist längst ein gängiges Kommunikationsmittel im Alltag. Doch kann über diesen Weg auch eine Kündigung rechtswirksam übermittelt werden? Mit dieser Frage befasste sich das Arbeitsgericht Napoli Nord im Urteil Nr. 1758/2025 vom 16. April 2025. Die Entscheidung zeigt, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung über einen Messaging-Dienst im italienischen Recht Bestand haben kann. Sie verdeutlicht zugleich einen interessanten Unterschied zum deutschen Arbeitsrecht und zu den hierin vorgesehenen Formerfordernissen.

Im konkreten Fall schickte die Arbeitgeberin die Kündigung über WhatsApp. An der Nachricht war das sog. „Modello UniLav“ beigefügt. Hierbei handelt es sich um ein amtliches Formular, das in Italien der Meldung von Kündigungen an die Arbeitsverwaltung dient und alle wesentlichen Angaben zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthält (Daten der Parteien, Beendigungszeitpunkt, anwendbarer Kollektivvertrag etc.). Die Arbeitnehmer wendeten die Unwirksamkeit der Kündigung ein. Sie argumentierten, die Schriftform sei nicht eingehalten, da die Kündigung nicht den Schriftformvorgaben entspreche.

Das Gericht folgte dieser Argumentation allerdings nicht. Dabei wurde ausdrücklich festgehalten, dass nach Art. 2 Gesetz Nr. 604/1966 jede Kündigung schriftlich zu erfolgen habe. Fehle es an der Schriftform, sei die Kündigung nichtig. In diesen Fällen bestünde ein Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und Schadensersatz. Im vorliegenden Fall sei die Schriftform allerdings gewahrt worden. Diesbezüglich führte das Gericht aus, dass ein Schriftformerfordernis auch in digitaler Form erfüllt werden kann. Hierfür müssen im Wesentlichen drei Voraussetzungen gegeben sein. Der Absender muss eindeutig erkennbar sein, der Inhalt muss klar sein, und der Zugang beim Empfänger muss nachweisbar sein.

Im vorliegenden Fall war die Kündigung inhaltlich vollständig und den Arbeitnehmern zugegangen. Die Kenntnisnahme wurde laut dem Gericht durch die Einreichung der Klage bestätigt. Die Herleitung des Gerichts unterstreicht, dass im italienischen Recht weiter der Ordnungsgemäße Zugang der Kündigungserklärung ein wesentlichen Streitpunkt darstellt. Die Schriftform auf digitalem Weg ist dagegen weitestgehend anerkannt, sofern der Ursprung des Absenders klar erkennbar ist.

Diese Rechtsentwicklung stellt einen interessanten Kontrast zum deutschen Recht dar, das weiter gerade in der arbeitsrechtlichen Praxis sehr enge Anforderungen an die Schriftlichkeit samt eigenhändiger Unterzeichnungserfordernissen stellt.

Insgesamt macht die Entscheidung deutlich, unter welchen Voraussetzungen digitale Kommunikationsmittel im italienischen Arbeitsrecht eingesetzt werden können. Darüber hinaus zeigt sie, dass digitale Kommunikationsformen längst Teil des juristischen Alltags geworden sind und wie die juristische Praxis entsprechende Rahmenbedingungen für deren Nutzung setzt. Gleichwohl bleibt ihre konkrete rechtliche Einordnung in vielen Bereichen umstritten. Eine abschließende Rechtssicherheit ist bislang nicht ersichtlich, weshalb weiter die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuwarten bleibt.

Italienische Steuerfahndung im Ausland: Ein Risiko für deutsche Unternehmen mit italienischen Gesellschaftern?

Deutsche Unternehmen mit italienischen Gesellschaftern oder Geschäftsführern geraten zunehmend ins Visier der italienischen Steuerbehörden – selbst wenn sie ausschließlich in Deutschland tätig sind. Dieses Risiko kann insbesondere dann relevant werden, wenn die italienische Finanzverwaltung zu dem Ergebnis kommt, dass ein Unternehmen faktisch aus Italien heraus geführt wird. In solchen Fällen kann das italienische Finanzamt die deutsche Gesellschaft rückwirkend der Steuerpflicht in Italien unterwerfen.

Ein aktuelles Urteil des italienischen Kassationsgerichtshofs vom 2. Februar 2025 (Nr. 2458) zeigt beispielhaft, welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen und wie weit eine extensive Auslegung des Begriffs der Unternehmensführung reichen kann. Im Zentrum steht der Vorwurf der sogenannten „esterovestizione“, also der formalen Ansiedlung einer Gesellschaft im Ausland bei gleichzeitiger tatsächlicher Leitung aus Italien. Bislang betrafen solche Konstellationen vor allem Gesellschaften mit Sitz in klassischen Offshore-Staaten. Diese Kriterien werden nun zunehmend auch auf Gesellschaften (und Betriebsstätten) mit Sitz in kontinentaleuropäischen Staaten angewendet.

Der entschiedene Fall betraf eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in den Niederlanden, die vollständig von einer italienischen Kommanditgesellschaft kontrolliert wurde, welche im Bereich der Windenergieberatung tätig ist. Die italienische Steuerbehörde unterwarf die niederländische Gesellschaft rückwirkend für das Jahr 2007 der vollen italienischen Steuerpflicht. Zur Begründung führte sie an, dass die tatsächliche Leitung der Gesellschaft von Italien aus erfolgt sei.

Zwar war die Gesellschaft formal in den Niederlanden registriert, doch nach Auffassung der Behörde wurde sie faktisch aus Italien gesteuert. Die benannten Geschäftsführer seien lediglich Erfüllungsgehilfen gewesen. Sämtliche wesentlichen Entscheidungen seien in Italien getroffen worden. Das Kassationsgericht bestätigte diese Sichtweise und stellte fest, dass operative Entscheidungen – etwa zur Geschäftspolitik, der Auswahl und Steuerung von Vertragspartnern, finanziellen Dispositionen sowie laufenden Verwaltungsfragen – ausschließlich in Italien getroffen worden seien. Die formale Sitzverlegung in die Niederlande sei allein zu steuerlichen Zwecken erfolgt, ohne dass dort die für eine eigenständige Geschäftsführung erforderliche Struktur bestanden habe. Ausschlaggebend sei, dass sämtliche unternehmerisch relevanten Entscheidungen nachweislich von den Gesellschaftern der italienischen Muttergesellschaft vorbereitet und in Italien getroffen worden seien, während die niederländische Gesellschaft über keinerlei eigenständige Entscheidungsorgane verfügt habe.

Während die erste Instanz die Sichtweise der Finanzverwaltung bestätigte, wurde das Urteil durch das Berufungsgericht aufgehoben. Ein zentrales Argument der Gesellschaft war, dass ihr kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Nach damaliger Gesetzeslage war eine vorherige Anhörung jedoch nicht erforderlich, sofern der Steuerbescheid – wie im vorliegenden Fall – ausschließlich auf Aktenlage ohne Vor-Ort-Prüfung erlassen wurde. Das Gericht bestätigte deshalb die formelle Richtigkeit des Verfahrens. Zwar wurde die Regelung zur Anhörungspflicht zwischenzeitlich geändert, für den streitgegenständlichen Fall galt jedoch noch die alte Fassung.

Der Kassationshof hatte somit im Wesentlichen über die Frage zu entscheiden, ob eine sog. „esterovestizione“ vorlag. Die italienische Rechtsprechung versteht darunter eine Gesellschaft, die zwar formal im Ausland registriert ist, tatsächlich aber aus Italien geführt wird. Dies wird insbesondere dann angenommen, wenn es keine wirtschaftlich tragfähigen Gründe für den ausländischen Sitz gibt und nachweislich die maßgeblichen Entscheidungen in Italien getroffen werden. Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Kassationshofs kommt es dabei nicht auf den formalen Sitz an, sondern auf die tatsächlichen Gegebenheiten. Dabei ist die Beweisführung besonders relevant. Es ist nicht erforderlich, einen absoluten Nachweis zu führen. Vielmehr genügt eine Gesamtschau klarer und übereinstimmender Indizien. Eine ausländische Ansässigkeitsbescheinigung reicht nicht aus, um einen Gegenbeweis zu erbringen.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass das Urteil seine Argumentation im Wesentlichen auf Art. 73 Abs. 5-bis des italienischen Einkommensteuergesetzes (TUIR) stützt. Dieser sieht eine gesetzliche Vermutung der Steuerpflicht in Italien vor, wenn eine ausländische Gesellschaft eine italienische Gesellschaft kontrolliert und selbst von in Italien ansässigen Personen kontrolliert wird. Im konkreten Fall lag diese Konstellation jedoch nicht vor, da die ausländische Gesellschaft keine italienische Gesellschaft kontrollierte, sondern umgekehrt selbst kontrolliert wurde. Aus rechtssystematischer Sicht hätte daher eher Art. 73 Abs. 3 TUIR Anwendung finden müssen, der die Steuerpflicht aus der tatsächlichen Geschäftsleitung in Italien ableitet. Die Berufung auf Art. 73 Abs. 5-bis erscheint vor diesem Hintergrund zumindest fragwürdig, ändert jedoch nichts an der Substanz der Entscheidung.

Trotz der wohl unscharfen dogmatischen Begründung entfaltet das Urteil erhebliche praktische Relevanz. Der italienische Kassationsgerichtshof hat unmissverständlich klargestellt, dass eine Steuerpflicht in Italien auch dann begründet werden kann, wenn die Gesellschaft ihren formalen Sitz im Ausland hat und dort über keine substanzielle Geschäftsleitung verfügt. Entscheidend ist allein, ob die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen – etwa zur operativen Geschäftspolitik, zur Auswahl von Vertragspartnern oder zur finanziellen Ausrichtung – tatsächlich von in Italien ansässigen Personen getroffen werden. Dies gilt auch für Holding- oder Konzernstrukturen, bei denen etwa deutsche Tochtergesellschaften oder Holdings formell eigenständig agieren, ihre strategische Steuerung jedoch faktisch aus Italien erfolgt.

Das Urteil hat Folgen weit über Italien hinaus. Auch deutsche Unternehmen mit ausländischen Tochtergesellschaften oder Holdingstrukturen müssen aufmerksam sein – insbesondere dann, wenn sie vollständig von italienischen Unternehmen oder Familien gehalten werden und ein Teil der administrativen und/oder strategischen Entscheidungen nachweislich aus Italien heraus getroffen wird. Dies betrifft insbesondere operative Entscheidungen der Geschäftsführung, aber auch vertragliche, finanzielle oder organisatorische Steuerungsvorgänge, etwa bei Finanzierungsfragen, der Geschäftsentwicklung oder der Auswahl wesentlicher Vertragspartner. Die vorliegende Entscheidung macht deutlich, dass auch formal unbedenkliche Strukturen bei faktischer Entscheidungshoheit aus dem Ausland einer kritischen Prüfung unterzogen werden können. Unternehmen sollten daher ihre internen Prozesse, Entscheidungsabläufe und die Dokumentation von Leitungsfunktionen rechtzeitig prüfen, um steuerliche Risiken in Italien frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.

PEC-Pflicht auch für Geschäftsführer

Italien verschärft weiter die Pflicht zur digitalen Kommunikation. Während Unternehmen bereits seit vielen Jahren die Pflicht haben, ein zertifiziertes Postfach (Posta Elettronica Certificata – PEC) einzurichten, müssen seit dem 1. Januar 2025 auch Geschäftsführer und Liquidatoren eine persönliche digitale Zustelladresse bei der Handelskammer hinterlegen. Bei Neugründungen muss die Einrichtung mit der Eintragung ins Handelsregister erfolgen. Bei bestehende Unternehmen muss bis spätestens zum 30. Juni 2025 nachgearbeitet werden.

Die digitale Zustelladresse ist eine zertifizierte E-Mail-Adresse, die für offizielle Mitteilungen zwischen Unternehmen und Behörden genutzt wird (vgl. hierzu auch Förmliche Zustellung per Mail – In Italien besteht die Pflicht zur zertifizierten Email (PEC)). Sie dient als rechtssicherer Kommunikationskanal, der den Versand und Empfang von Nachrichten mit beweiskräftiger Dokumentation ermöglicht. Die PEC reduziert Verwaltungsaufwand, beschleunigt Prozesse und gewährleistet Transparenz in behördlichen Verfahren.

Unterbleibt die Meldung der digitalen Zustelladresse bei der Registrierung einer neuen Ernennung oder Erneuerung des Amtes, wird das Verfahren vorläufig ausgesetzt. Es wird eine Nachfrist von bis zu 30 Tagen gewährt, um die fehlenden Informationen nachzureichen. Erfolgt innerhalb dieser Frist keine Nachmeldung, wird der Antrag abgelehnt. Bei versäumten Mitteilungen an das Handelsregister sieht das Gesetz ein Bußgeld zwischen 103 und 1.032 Euro vor. Erfolgt die Meldung innerhalb von 30 Tagen nach Fristablauf, reduziert sich die Strafe auf ein Drittel des vorgesehenen Betrags.

Die neue Regelung stellt eine erhebliche Ausweitung der Nutzung digitaler Kommunikationsmittel dar. Geschäftsführer und Liquidatoren sollten sicherstellen, dass sie ihre individuelle PEC-Adresse rechtzeitig bei der zuständigen Handelskammer registrieren und anschließend auch sorgfältig abrufen. Bei Nichtbeachtung droht Fristablauf und Präklusion. Daher sollten gerade ausländische Geschäftsführer großen Sorgfalt auch einen regelmäßigen Abruf legen, um nicht vor vollendeten Tatsachen zu stehen.

Eine mögliche Durchgriffshaftung im Insolvenzfall: Die „Super Società di Fatto“ im italienischen Recht

Die italienische Rechtsprechung hat im Wege der Rechtsfortbildung ein interessantes Rechtsinstitut zur Durchgriffshaftung gegenüber faktischen Gesellschaftern entwickelt: die sog. „Super Società di Fatto“. Dieses Konzept ermöglicht es, Dritte – insbesondere im Insolvenzfall – haftbar zu machen, die faktisch an einer Gesellschaft partizipieren, ohne formal Teil von ihr zu sein. Die italienische Rechtsprechung hat bereits in der Vergangenheit verschiedene Modelle der Durchgriffshaftung gegenüber Gesellschaftern und faktischen Geschäftsführern geschaffen. Diese Entwicklung wurde in den letzten Jahren fortgeführt und auf faktische Gesellschafter ausgedehnt, was einen genaueren Blick auf diese Rechtsfigur rechtfertigt.

Im Rahmen von Insolvenzen stellt sich oft die Frage, ob und in welchem Umfang bestehende Forderungen noch durchgesetzt werden können. In den meisten Fällen müssen sich Gläubiger mit einer anteiligen Befriedigung zufriedengeben oder sogar den vollständigen Forderungsausfall hinnehmen. Das italienische Recht sieht zwar verschiedene Möglichkeiten der Durchgriffshaftung gegenüber Gesellschaftern und Geschäftsführern vor, die gesetzlichen Anforderungen sind jedoch regelmäßig sehr hoch.

In den letzten Jahren hat die Rechtsprechung mit der sog. „Super Società di Fatto“ (wörtlich: „tatsächliche Super-Gesellschaft“) eine bislang wenig bekannte, aber bedeutende Rechtsfigur entwickelt. Ausgangspunkt ist die Frage, wie Gesellschaften und natürliche Personen haftbar gemacht werden können, die zwar formal nicht direkt an der (insolventen) Schuldnerin beteiligt sind, aber faktisch mit ihr als wirtschaftliche Einheit verbunden waren. Die italienische Rechtsprechung hat bereits eine Haftung faktischer Geschäftsführer und beherrschender faktischer Konzerne anerkannt. Ein ähnlicher Ansatz wurde nun auf die „Super Società di Fatto“ ausgeweitet.

Was versteht man unter einer „Super Società di Fatto“?

Die „Super Società di Fatto“ beschreibt eine nicht formell gegründete Gesellschaft, die jedoch aufgrund ihres Auftretens und ihrer Handlungen wie eine Gesellschaft zu behandeln ist. Entscheidend ist das Vorliegen einer faktischen Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten mit einem gemeinsamen wirtschaftlichen Ziel.

Im Wesentlichen basiert diese Rechtsfigur auf drei Kernelementen:

  1. Dauerhaftes gemeinsames Handeln: Die Beteiligten verfolgen ein gemeinsames wirtschaftliches Interesse.
  2. Erkennbare Außenwirkung: Nach außen tritt die Gruppe wie eine Gesellschaft auf, z. B. durch gemeinsames Agieren im Geschäftsverkehr.
  3. Koordinierte Geschäftsführung: Es bestehen Abstimmungen oder Absprachen, die auf eine faktische Organisation hinweisen.

Darüber hinaus müssen zusätzliche Merkmale vorliegen, die auf eine bewusste Verschleierung oder einen Versuch des Haftungsentzugs durch die faktischen Gesellschafter hindeuten. Dies bedeutet, dass Strukturen geschaffen wurden, die primär der Gläubigerbenachteiligung dienen.

Liegen diese Voraussetzungen vor, nimmt der italienische Kassationshof eine „Super Società di Fatto“ an (vgl. z. B. Kassationshof Nr. 1095/2016 und Nr. 204/2024). Rechtlich wird diese Konstruktion wie eine faktische Personengesellschaft behandelt, in der alle (faktischen) Mitgesellschafter persönlich haften. Diese Figur gewinnt insbesondere in Insolvenzverfahren an Bedeutung, da sie die Möglichkeit eröffnet, die Haftung auf weitere Beteiligte auszudehnen. Wird eine „Super Società di Fatto“ festgestellt, so fallen nicht nur die Vermögenswerte der Gesellschaft, sondern auch das Privatvermögen der faktischen Gesellschafter in die Insolvenzmasse.

Praxisbeispiele

Ein typischer Fall aus der Praxis ist eine Gruppe von Unternehmern, die gemeinsam eine Immobilie entwickelt und vermarktet, ohne eine formelle Gesellschaft zu gründen. Ebenso kann es sich um einen Verbund verschiedener Einzelgesellschaften handeln, die letztlich denselben wirtschaftlichen Zweck verfolgen. Gerade in solchen Konstellationen kommt es häufig zu einer Aushöhlung des sogenannten „Main Contractors“, der als eine Art „Bad Company“ in die Insolvenz geschickt wird, während die wirtschaftlich tragenden Strukturen unangetastet bleiben.

Bedeutung für Gläubiger und Insolvenzverwalter

Die „Super Società di Fatto“ stellt somit eine Möglichkeit dar, die Haftung auf wirtschaftlich solvente Dritte auszudehnen. Gläubiger sollten daher alle Optionen ausschöpfen, um ihre Forderungen bestmöglich abzusichern. Auch Insolvenzverwalter sollten die einschlägige Rechtsprechung zur „Super Società di Fatto“ stets im Blick behalten, da die Identifikation einer solchen Gesellschaft erhebliche Auswirkungen auf die Insolvenzmasse haben kann. Eine Missachtung dieser Möglichkeit könnte zudem zu Haftungsfolgen führen.

Auf der anderen Seite sollten sich Unternehmer der Risiken bewusst sein, die durch wirtschaftliche Kooperationen in dieser Form entstehen können. Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung wird es zunehmend schwieriger, sich durch rein formale Gestaltungen einer potenziellen Haftung zu entziehen.

Die „Super Società di Fatto“ ist eine von der italienischen Rechtsprechung geschaffene Figur, die insbesondere im Insolvenzfall eine erhebliche Bedeutung erlangen kann. Sie ermöglicht es, die Haftung auf faktische Gesellschafter auszudehnen, die zwar formal nicht als Gesellschafter auftreten, aber faktisch mit der Gesellschaft verbunden sind. Für Gläubiger und Insolvenzverwalter stellt sie somit ein wichtiges Instrument dar, um die Durchsetzung von Forderungen zu optimieren.

Die Kanzlei A&R Avvocati Rechtsanwälte mit Niederlassungen in München, Mailand und Padua unterstützt Sie bei allen insolvenzrechtlichen Fragestellungen in Italien und ist der ideale Ansprechpartner für deutsche Unternehmen vor Ort.

Rechtskrafterstreckung eines italienischen Mahnbescheids: Ein wegweisender deutsch-italienischen Fall

Mit Beschluss Nr. 8937/2024 hat der italienische Kassationshof die Tragweite der Rechtskraft eines nicht angefochtenen Mahnbescheids unterstrichen. Die Entscheidung beleuchtet nicht nur die Bedeutung einer prozessual korrekten Verteidigung gegen italienische Verfahren, sondern verdeutlicht auch die Unterschiede zwischen den deutschen und italienischen Rechtsordnungen – insbesondere hinsichtlich der Präklusion entscheidungsrelevanter Einwände. Für deutsche Unternehmen mit grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen ist dies ein wichtiger Hinweis auf potenzielle prozessuale Risiken.

Im vorliegenden Fall hatte ein deutsches Einzelunternehmen Schadensersatz von einem italienischen Lieferanten wegen der Lieferung verdorbenen Fleisches. Neben der beschädigten Ware selbst wurde auch die Kontamination weiterer Produkte in den Räumlichkeiten des deutschen Unternehmens geltend gemacht. Der Lieferant, der in beiden Vorinstanzen unterlag, hatte vor dem Kassationshof argumentiert, dass die Vorinstanzen die Rechtskraft eines zuvor erlassenen und nicht angefochtenen Mahnbescheids missachtet hätten. Dieser Mahnbescheid hätte – nach Ansicht der Lieferanten  – mit der Zahlungsverpflichtung auch Rechtskraftwirkung bezüglich der Mängelfreiheit der gelieferten Ware erlangt.

Diese Argumentation wurde durch das oberste italienische Gericht geteilt. Der Kassationshof stellte klar, dass ein rechtskräftiger Mahnbescheid nicht nur den im Verfahren entschiedenen Anspruch betrifft, sondern auch solche Fragen präkludiert, die notwendige Grundlage der Entscheidung waren. Demnach wird die Rechtskraft auf alle entscheidungserheblichen und deduzierbaren Fragen ausgedehnt, was dem Grundsatz des sog. ius receptum folgt. Diese weitreichende Präklusionswirkung gilt unabhängig davon, ob die Rechtskraft durch ein Urteil oder einen nicht angefochtenen Mahnbescheid begründet wurde.

Der Kassationshof betonte darüber hinaus, dass sich die Rechtskraft auch auf logische und notwendige Vorfragen einer Gerichtsentscheidung erstreckt. Im konkreten Fall führte dies dazu, dass der Mahnbescheid hinsichtlich des Kaufpreisanspruchs auch die Vermutung einer ordnungsgemäßen Lieferung und damit der Mängelfreiheit begründete. Diese Präklusionswirkung machte eine erneute Überprüfung der Frage nach Mängeln der gelieferten Ware unzulässig. Der Kassationshof hob folglich das Berufungsurteil auf und wies die Schadensersatzklage des deutschen Unternehmens ab.

Das vom Kassationshof aufgestellte Prinzip steht im deutlichen Gegensatz zu den deutschen Rechtsvorschriften. Im deutschen Zivilprozessrecht beschränkt sich die Rechtskraft ausschließlich auf die tatsächlich entschiedenen Fragen (vgl. bspw. § 322 ZPO). Dies bietet den Parteien die Möglichkeit, in einem neuen Verfahren andere Aspekte desselben Rechtsverhältnisses anzufechten bzw. anderweitig zu verargumentieren. Das italienische Recht hingegen verwehrt dies und stärkt so die Verbindlichkeit rechtskräftiger Entscheidungen, gleich ob es sich dabei um Urteile oder sonstige rechtskräftige Entscheidungen z.B. aus summarischen Verfahren handelt. Dadurch entsteht ein erhöhtes Risiko für deutsche Unternehmen, die die umfassende Präklusionswirkung des italienischen Rechts möglicherweise unterschätzen.

Die Entscheidung des Kassationshofs verdeutlicht die weitreichenden Präklusionswirkungen im italienischen Recht. Für deutsche Unternehmen mit Handelsbeziehungen nach Italien ist es essenziell, gegen Mahnbescheide rechtzeitig und gezielt vorzugehen. Andernfalls besteht das Risiko, dass nicht nur der geltend gemachte Anspruch, sondern auch damit verbundene Einwände präkludiert werden. Eine frühzeitige juristische Beratung ist daher unerlässlich, um unerwartete prozessuale Nachteile zu vermeiden.

EuGH Entscheidung zum Europäischen Zahlungsbefehl: § 1092a ZPO nicht unionsrechtswidrig

Eine vielfach diskutierte Frage zur Übereinstimmung des § 1092a ZPO mit geltendem Unionsrecht ist nunmehr geklärt. Am 5. Dezember 2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusätzliche Rechtsbehelfe im Zusammenhang mit dem Europäischen Zahlungsbefehl einführen können, sofern diese die unionsrechtlichen Mindestvorgaben nicht beeinträchtigen (C-389/23). Damit hat der EuGH den in § 1092a ZPO geregelten Rechtsbehelf zur Nichtigerklärung eines Europäischen Zahlungsbefehls für unionsrechtskonform erklärt.

Das Amtsgericht Wedding, Deutschlands zentrales Europäisches Mahngericht, hatte dem EuGH die Frage zur Vereinbarkeit des § 1092a ZPO mit den Verordnungen (EG) Nr. 1896/2006 und Nr. 1393/2007 zur Vorabentscheidung vorgelegt. § 1092a ZPO sieht die Möglichkeit zugunsten des Antragsgegners vor, die Nichtigkeit eines Europäischen Zahlungsbefehls geltend zu machen, sofern die Zustellung nicht oder nicht ordnungsgemäß erfolgt ist.

Dieser Rechtsbehelf tritt zusätzlich zu dem in den Artikeln 16 und 17 der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 geregelten Einspruch in Kraft und greift damit weit früher im Verfahrensablauf ein. Die in § 1092a ZPO getroffene Regelung ist dabei durchaus kritisch zu betrachten, da die Norm aufgrund ihrer strengen Rechtsfolge – der Nichtigkeit – teils zu zufälligen Ergebnissen führt. Dies liegt insbesondere daran, dass die Rechtswirkung maßgeblich davon abhängt, ob der Zustellungsfehler zuerst vom Antragsgegner oder vom Gericht festgestellt wird. Dies beeinträchtigt insbesondere Gläubiger, die auf die Verlässlichkeit und Effizienz des Europäischen Mahnverfahrens vertrauen müssen. Die Norm führt daher zu einer gewissen Aushöhlung des Europäischen Zahlungsbefehls. Daher die Vorlage des Zentralen Mahngerichts Wedding.

Der EuGH hat nun geurteilt, dass die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 lediglich Mindestvorschriften für das Mahnverfahren aufstellt. Den Mitgliedstaaten sei es darüber hinaus freigestellt, zusätzliche Rechtsbehelfe zu schaffen, solange diese die Ziele und Grundsätze der Verordnung nicht beeinträchtigen. Dies gelte insbesondere für Fälle, in denen ein Zahlungsbefehl trotz fehlerhafter oder unterbliebener Zustellung vollstreckbar erklärt wurde. Dem trage die Regelung des § 1092a ZPO Rechnung. Daher sei diese auch europarechtlich konform.

Damit bleibt es allerdings bei der Problematik, dass die Regelung des § 1092a ZPO dem Ziel eines effizienten und verlässlichen Europäischen Mahnverfahrens entgegensteht. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit hängt faktisch weiterhin davon ab, wer den Zustellungsfehler zuerst bemerkt – der Antragsgegner oder das Mahngericht. Dies führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit, da der Antragssteller, der häufig keine Kenntnis vom Zustellungsverfahren hat, keine Möglichkeit besitzt, proaktiv auf etwaige Fehler einzuwirken. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Zustellung in vielen Mitgliedstaaten, wie in Deutschland, durch das Gericht erfolgt, weshalb der Antragssteller weder die Wahl des Zustellungswegs noch die Durchführung der Zustellung kontrollieren kann.

Diese strukturelle Benachteiligung schwächt letztlich das Mittel des Europäischen Mahnbescheids. Dies steht auch dem Ziel entgegen, den Zahlungsbefehl zu weitergehender Akzeptanz und Verbreitung zu verhelfen. In Anbetracht des nun ergangenen Urteils des EuGH dürften allerdings bis auf Weiteres keine Änderungen am § 1092a ZPO zu erwarten sein.

EuGH stärkt Verbraucherschutz bei Rabattaktionen: Einzelhändler müssen bei Preisangaben umdenken

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem wegweisenden Urteil (Rechtssache C-330/23) die Regelungen für Preisermäßigungen konkretisiert und sich dabei klar auf die Seite der Verbraucher gestellt. Die Entscheidung definiert präzise, wie Händler künftig Rabatte berechnen und ausweisen müssen.

Ausgangspunkt der Entscheidung war eine Beanstandung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen die Preiswerbung von Aldi Süd. Der Discounter hatte in seinen Werbeprospekten im Oktober 2022 mit Preisermäßigungen für Obst geworben. Bei Ananas wurde eine Preisermäßigung von „23%“ ausgelobt, während Bananen als „Preis-Highlight“ beworben wurden. In beiden Fällen zeigte die Werbung einen höheren, durchgestrichenen Preis. Lediglich im Kleingedruckten fand sich ein Hinweis auf den tatsächlich niedrigsten Preis der letzten 30 Tage. Diese Werbepraxis, welche zwischenzeitlich von einer Vielzahl von Einzelhändler praktiziert wurde – hielt die Verbraucherzentrale für rechtswidrig, da sie die Interessen der Verbraucher beeinträchtige und unlauter sei.

Die rechtliche Grundlage des Falls bildet Artikel 6a der Richtlinie 98/6/EG (nachfolgend „Richtlinie“). Dieser sieht vor, dass bei jeder Preisermäßigung der „vorherige Preis“ angegeben werden muss. Als solcher gilt der niedrigste Preis, den der Händler innerhalb der letzten 30 Tage vor der Preisermäßigung verlangt hat. Die zentrale Frage war dabei nicht, ob dieser „vorherige Preis“ angegeben werden muss – dies war unstrittig. Vielmehr ging es darum, anhand welchen Preises das Bestehen und die Höhe einer Ermäßigung berechnet werden müssen. Konkret ging es darum, ob es ausreichend sei, den vorherigen Preis zu Informationszwecken anzugeben (bspw. im Kleingedruckten) bzw. anhand von welche Richtpreis die Ermäßigung ausgewiesen werden müsse.

Der Gerichtshof stellte in seiner Entscheidung unmissverständlich klar, dass jede Preisermäßigung auf dem niedrigsten Preis der letzten 30 Tage basieren muss. Dies gilt sowohl für prozentuale Preisermäßigungen als auch für werbliche Hervorhebungen wie „Preis-Highlight“. Ein bloßer Hinweis im Kleingedruckten auf den niedrigsten 30-Tage-Preis reiche dabei nicht aus. Vielmehr müsse der Verbraucher klar erkennen können, welcher Preis als Richtwert diene. Dies könne im nachvollziehbaren Maß lediglich dann gewährleistet werden, wenn sich auch die Ermäßigung anhand des vorherigen Preises im Sinne von Art. 6a der Richtlinie (also dem niedrigsten der letzten 30 Tage) bemesse.

In seiner Begründung stützt sich der EuGH auf zentrale verbraucherschützende Prinzipien. Die Richtlinie ziele darauf ab, die Verbraucherinformation zu verbessern und den Preisvergleich zu erleichtern. Nach der Argumentation des EuGH spreche auch die die Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu Gunsten eines weitergehenden Verbraucherschutz. Verkaufspreise müssten demnach unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein. Diese Ziele würden beeinträchtigt, wenn bei einer Preisermäßigung zwar der „vorherige Preis“ angegeben werde, dieser aber nicht die tatsächliche Berechnungsgrundlage für die beworbene Preisermäßigung darstelle.

Die Entscheidung zielt damit insbesondere darauf ab, künstliche Preiserhebungen vor etwaigen Rabattaktionen zu verhindern. Der ermäßigte Preis darf nicht gleich hoch oder sogar höher sein als vorherige Preis, wobei hierunter nach dem EuGH der niedrigste Preis der letzten 30 Tage zu verstehen sei – genau dies war jedoch bei der beanstandeten Werbung von Aldi Süd der Fall. 

Der EuGH geht somit den Weg über Art. 6a der Richtlinie, um eine etwaige Irreführung der Verbraucher zu verhindern. Wenngleich der damit verbundene grundsätzliche Ansatz durchaus nachvollzogen werden kann, dürfte die normative Herleitung durchaus fragwürdig sein.

Dabei wurde Art. 6a der Richtlinie bislang durch einen Teil der Rechtslehre ein vorwiegend informativer Wesenszug beigemessen. Hierunter wurde die Pflicht der Unternehmen subsummiert, offen und transparent kommunizieren zu müssen. Dieser informative Zweck scheint auch durch den Wortlaut abgedeckt, wonach unstreitig (zumindest) der niedrigste Preis der letzten 30 Tage ausgewiesen werden müsse. Dies wurde auch durch die Aldi-Preisauszeichnung aufgenommen, da der niedrigste Preis – wenngleich kleingedruckt – auch ausgewiesen wurde. Die Argumentation des betroffenen Einzelhändlers sah hierdurch die normativen Vorgaben von Art. 6a der Richtlinie als erfüllt. Diese These dürfte auch durch nicht unbedeutende Teile der Rechtslehre gestützt sein. Die These wird auch dadurch gestärkt, dass der Wortlaut der Norm durchaus allgemein gehalten wurde, was eher für ein ausschließlich informativen Charakter der Norm hätte spreche können. Mit anderen Worten könnte man sagen, dass der Gesetzgeber – sofern eine solch weitereichende Wirkung des Art. 6a der Richtlinie tatsächlich gewollt gewesen wäre – dies durch eine restriktivere Formulierung problemlos hätte umsetzen können. Dies ist aber eben nicht erfolgt.

Nichtsdestotrotz greift der EuGH nun auf Art. 6a der Richtlinie zurück, um den jüngsten Entwicklungen in der Rabattpolitik und Ausweisung einen klaren Riegel vorzuschieben. Auch wenn nicht verkannt wird, dass hierin ein durchaus erhebliches Irreführungspotential vorhanden war, bleibt offen, in wie weit der nachvollziehbare Ansatz des EuGH den Wortlaut und den Zweck von Art. 6a der Richtlinie im Ergebnis nicht überstrapaziert.

Im Ergebnis führt die restriktive Auslegung der Richtlinie zu weitreichenden Folgen für den Einzelhandel und die Preispolitik der Unternehmen. Das Urteil stärkt damit die Position der Verbraucher deutlich und schafft klare, verbindliche Regeln für die Preiswerbung im Handel. Ob hierdurch auch für eine klare und stringente Auslegung der zugrunde gelegten Normen gesorgt wurde, bleibt dagegen abzuwarten. Dies wird sich u.a. vor dem Hintergrund der einschlägigen Kommentierungen des Urteils sowie der anstehenden gerichtlichen Rechtsfortbildung zeigen. Dabei wird nicht zuletzt spannend zu sehen sein, wie das Urteil des EuGH Einzug in die nationale Gerichtsbarkeit finden wird. Der EuGH hat mit dem vorliegenden Urteil einen vorläufigen Schlusspunkt gesetzt. Die hierdurch angestoßene Entwicklung dürfte aus praktischer Umsetzungssicht aber erst am Anfang stehen.


RA Fabrizio Renz

Der Erwerb von Immobilien durch Schweizer Staatsbürger in Italien – Rechtliche Voraussetzungen für den Kauf von Ferienimmobilien

Der Traum vom eigenen Ferienhaus in Italien ist für viele Schweizer eine verlockende Vorstellung. Oftmals zeigt sich der Weg dorthin jedoch komplexer, als zunächst gedacht, da beide Länder für den Immobilienerwerb durch Ausländer spezifische rechtliche Rahmenbedingungen vorsehen. Der vorliegende Artikel beleuchtet die Voraussetzungen, die Schweizer Privatpersonen beim Erwerb von Ferienimmobilien in Italien beachten müssen, und erläutert praxisnah, wie mögliche rechtliche Hürden umgangen werden können.

Schweizer Staatsbürger können grundsätzlich Immobilien in Italien erwerben, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Diese basieren auf zwischenstaatlichen Regelungen und beruhen vor allem auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit (Principio di reciprocità), welches das Recht auf Immobilienerwerb an eine gleichwertige Behandlung von Italienern in der Schweiz bindet. Der rechtliche Hintergrund umfasst dabei komplexe Bestimmungen, die nicht nur das italienische, sondern auch das Schweizer Recht berühren – insbesondere die Lex Koller, die in der Schweiz den Erwerb von Immobilien durch Ausländer regelt. Schweizer Staatsbürger haben daher das Recht, Ferienimmobilien in Italien zu erwerben, solange Italienern in der Schweiz dieselben Möglichkeiten gewährt werden. Während der Erwerb eines Hauptwohnsitzes von diesen Regelungen weitgehend ausgenommen ist, gelten für Ferienimmobilien, die nicht als Hauptwohnsitz genutzt werden, jedoch Einschränkungen. Diese Vorschriften beschränken den Kauf solcher Immobilien auf bestimmte Flächen und beabsichtigen eine gerechte Handhabung des Erwerbs.

Der italienische Notar ist bei einem Immobilienkauf verpflichtet, im Vorfeld zu prüfen, ob die Voraussetzungen des reciprocità-Prinzips eingehalten werden. Hierbei kann es erforderlich sein, dass der Notar eine Rechtsmeinung des italienischen Außenministeriums einholt, insbesondere wenn es um eine Abgrenzung zwischen erlaubten und nicht erlaubten Immobilienkäufen geht. Die allgemeinen Einschränkungen betreffen vor allem die Fläche und den Verwendungszweck der Immobilie. Beispielsweise sind Ferienwohnungen bis zu einer Fläche von 200 m² und Grundstücke für Ferienimmobilien bis maximal 1.000 m² zulässig. Ebenso kann eine Immobilie zur gewerblichen Nutzung erworben werden(hierunter fallen bspw. Büroflächen etc.).

Für den Erwerb größerer Immobilien oder landwirtschaftlich genutzter Flächen bestehen jedoch erhöhte Anforderungen, die durch eine geschickte Strukturierung des Kaufs möglicherweise umgangen werden können. In solchen Fällen kann der Erwerb durch die Gründung einer Gesellschaft, einer Stiftung oder einer gemischt genutzten Immobilie erfolgen, bei der private und gewerbliche Nutzung kombiniert werden. Diese Varianten bedürfen jedoch sorgfältiger rechtlicher Planung und einer genauen Ausarbeitung, um den gesetzlichen Anforderungen in beiden Ländern zu entsprechen.

Bei Missachtung der rechtlichen Vorgaben drohen schwerwiegende Konsequenzen. Verstöße können zur Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des Kaufvertrages führen, was bedeutet, dass das Eigentum rückwirkend aberkannt und das Geschäft rückabgewickelt werden könnte. Dies birgt erhebliche finanzielle Risiken, besonders wenn der Verkäufer den Kaufpreis bereits erhalten und nicht mehr zurückzahlen kann. Entsprechend ist eine umsichtige Herangehensweise unabdingbar.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Kauf von Ferienimmobilien für Schweizer Staatsbürger in Italien möglich ist, jedoch an Bedingungen geknüpft bleibt. Die Vorschriften bezüglich der maximal zulässigen Flächen und der Nutzungsart stellen sicher, dass der Kauf von Ferienimmobilien in Italien nur in einem begrenzten Rahmen erfolgen kann. Bei einer fundierten Beratung und sorgfältigen rechtlichen Planung gibt es jedoch verschiedene Optionen, um diesen Traum zu verwirklichen. Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne mit umfassender Expertise im deutsch-italienischen Immobilienrecht und begleitet Sie kompetent durch alle notwendigen Schritte.

Ende der vererblichen Strandkonzessionen?

Die Frage der staatlichen Strandkonzessionen wird in Italien jeden Sommer aufs Neue aktuell. Wenngleich viele dabei nicht wissen, dass die italienischen Strände weitgehend in staatlicher Hand sind, werden sie zur Nutzung durch spezifische Konzessionen vergeben. Diese Konzessionen sind in der Regel befristet, wobei sich genau hieran ein beliebtes Streitthema entzündet. Das System der automatischen Verlängerungen hat im Laufe der Zeit dazu geführt, dass einmal vergebene Konzessionen faktisch der staatlichen Kontrolle entzogen wurden. Besonders auffällig ist, dass diese Konzessionen oft über Generationen innerhalb von Familien weitergegeben oder zwischen Privatpersonen zu teilweise astronomischen Preisen weiterverkauft wurden. Dies führte zu einem quasi geschlossenen Markt, der für neue Anbieter, insbesondere auswärtige und ausländische Unternehmer, nur schwer zugänglich war.

Dieses Thema beschäftigt die italienische Rechtsprechung bereits seit Jahren. Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C-372/21, „Gesellschaft Euro-Bio-Impianti s.r.l. gegen Comune di Rimini“, einen wegweisenden Schlussstrich gezogen. Das Urteil markiert einen entscheidenden Wendepunkt für den italienischen Tourismussektor und stellt klar, dass die Praxis der automatischen Verlängerung ohne Ausschreibung gegen die Grundsätze des freien Wettbewerbs und der Transparenz verstößt.

Der EuGH entschied, dass die italienische Praxis gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) verstößt. Diese Richtlinie wurde eingeführt, um Hindernisse im Binnenmarkt für Dienstleistungen abzubauen und einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Insbesondere Artikel 12 der Richtlinie fordert, dass Konzessionen, die wirtschaftliche Tätigkeiten umfassen, durch offene, transparente und faire Verfahren vergeben werden müssen. Der EuGH stellte fest, dass die bisherigen Vergabeverfahren in Italien diesen Anforderungen nicht genügten, da sie keine offenen Ausschreibungen beinhalteten und somit keine gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer schufen.

Das Urteil verpflichtet Italien, seine nationalen Gesetze und Vergabeverfahren umfassend zu reformieren. Künftig müssen Strandkonzessionen regelmäßig durch transparente Ausschreibungen vergeben werden. Diese Reform soll nicht nur den Wettbewerb fördern, sondern auch Transparenz und Fairness in den Vergabeprozessen gewährleisten. Der Zugang zu den begehrten Strandkonzessionen wird für neue Marktteilnehmer geöffnet, was potenziell zu einer Steigerung der Qualität und Innovation im Tourismussektor führen kann.

Die Öffnung des Marktes für Strandkonzessionen und die Schaffung fairer Marktkonditionen haben zudem das Potenzial, einen wirtschaftlichen Aufschwung in den betroffenen Regionen Italiens zu fördern. Neue Investitionen und eine diversifizierte Angebotsstruktur könnten den Tourismus ankurbeln und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Die Auswirkungen dieser Reform könnten somit weitreichend sein, insbesondere für Regionen, die stark auf den Tourismussektor angewiesen sind.

Jedoch bleibt abzuwarten, wie erfolgreich die Umsetzung dieser Reform in der Praxis sein wird. Das italienische System der Strandkonzessionen ist bereits mehrfach reformiert worden, doch eine echte Öffnung des Marktes und fairer Wettbewerb konnten bislang nicht erreicht werden. Zudem stellt sich die Frage, wie mit den bestehenden Strandbetreibern umgegangen wird, die erhebliche Investitionen in ihre Strukturen getätigt haben und nun möglicherweise Gefahr laufen, ihre teuer erworbenen Konzessionen zu verlieren. Der Ausgleich zwischen privatwirtschaftlichen Interessen und der Sicherung fairer Marktbedingungen bleibt eine Herausforderung für die italienische Politik, der sie bislang nicht vollständig gerecht geworden ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Urteil des EuGH einen bedeutsamen Schritt in Richtung eines gerechteren und transparenteren Marktes für Strandkonzessionen darstellt. Es bleibt abzuwarten, wie diese Vorgaben in nationales Recht umgesetzt werden und ob sie tatsächlich zu einem fairen Wettbewerb und besseren Bedingungen für die Badegäste führen werden. Bis dahin bleibt wohl nur, das Ganze entspannt von einem schönen schattigen Sonnenschirm aus zu beobachten.