Suche und Ermittlung von italienischen Schuldnern und deren Vermögen

Nicht selten scheitert eine Durchsetzung von Ansprüchen am Fehlen einer zustellungsfähigen Adresse des Schuldners. Gerade bei in Italien ansässigen Schuldnern kann die Ermittlung einer entsprechenden Anschrift für deutsche Gläubiger oftmals abschreckend wirken. 

Dabei ermöglichen die italienischen Register (z.B. Einwohnermeldeämter) eine äußerst zügige und kostengünstige Ermittlung von entsprechenden Wohnadresse von Privatpersonen und Rechtssitzen von Unternehmen, sowie von zustellungsfähigen zertifizierten E-Mail-Adressen (PEC) (siehe hierzu auch: Förmliche Zustellung per Mail – In Italien besteht die Pflicht zur zertifizierten Email ). In diesem Rahmen können oftmals auch gleichzeitig etwaiges Immobilienvermögen und/oder Gesellschaftsanteile ausfindig gemacht werden. Aus diesem Grund sollte vor der Einleitung etwaiger Verfahren stets vorab eine kurze Prüfung der einschlägigen Register durchgeführt werden, um sich auf diesem Weg einen guten Überblick über die Gesamtlage schaffen zu können und möglichen Risiken zuvorzukommen.

Die Kanzlei A & R Avvocati Rechtsanwälte bietet Ihnen eine vollumfängliche Unterstützung bei Forderungseinzügen und etwaigen Vollstreckungen in Italien und berät Sie von Ermittlung von Adressen, Vermögenswerten bis hin zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche im Wege von Vollstreckungsverfahren vor Ort.

Europäischer Vollstreckungstitel bei italienischen Versäumnisurteilen möglich

Ein Europäischer Vollstreckungstitels im Sinne der Verordnung Nr. 805/2004 kann auch bei Vorliegen eines italienischen Versäumnisurteils erteilt werden. In einer am 16.06.2016 ergangenen Entscheidung (EuGH Urteil C-511/14) legte der EuGH fest, dass die notwendige Voraussetzung gemäß Art. 3 I Verordnung Nr. 805/2004 ausschließlich nach Unionsrecht zu bestimmen seien.

Streitpunkt war in der Vergangenheit insbesondere, ob eine Gerichtsentscheidung auch im Falle einer Säumnis als „unbestritten“ angesehen werden kann. Die für das ursprüngliche Versäumnisverfahren einschlägige italienische Rechtsordnung setzt Versäumnisurteile allgemein nicht mit einem Nichtbestreiten gleich. Die Anwendung der Verordnung Nr. 805/2004 wäre folglich im Falle von Versäumnisurteilen ausgeschlossen. Auf dieser Grundlage und mit Verweis auf die nach italienischem Recht allgemein anerkannte Rechtsauffassung, wonach eine Säumnis keine Aussage über das Bestehen einer Forderung treffe, wurde von italienischen Gerichten die Ausstellung eines Europäischen Vollstreckungstitels regelmäßig verweigert. Eine Geltendmachung im Ausland des vor italienischen Gerichts erstrittenen Versäumnisurteils war daher nicht selten beschwerlich und teils unmöglich. Mit dem oben zitierten Urteil hat der EuGH nunmehr entschieden, dass die Bewertung der in Art. 3 I der Verordnung Nr. 805/2004 genannten Voraussetzung der „unbestrittenen“ Forderung lediglich auf der Grundlage von Unionsrecht zu bewerten ist. Demnach gilt eine Forderung dann unbestritten, wenn ihr der Schuldner im gerichtlichen Verfahren zu keiner Zeit widersprochen hat, obwohl ihm die Möglichkeit hierzu eingeräumt wurde. Ein solch fehlender Widerspruch seitens des Schuldners liegt nach dem EuGH auch dann vor, wenn der Schuldner nicht zur Gerichtsverhandlung erscheint oder einer Aufforderung des Gerichts, schriftlich mitzuteilen, ob er sich zu verteidigen beabsichtigt, nicht nachkommt. Die italienischen Regelungen treten folglich hinter diese Bewertung zurück. Ein Versäumnisurteil kann mithin zukünftig auch in Italien als Europäischer Vollstreckungstitel im Sinne des Art. 3 I der Verordnung Nr. 805/2004 ausgefertigt werden.

Die Entscheidung des EuGH stellt einen weiteren Schritt zur Vereinheitlichung europäischer Verfahrensvorschriften dar. Die Tatsache, dass ein deutsches oder französisches Versäumnisurteil mit Hilfe eines Europäischen Vollstreckungstitels einfach und unkompliziert in Drittstaaten vollstreckt werden konnten, wohingegen vor italienischen Gerichten erwirkte Versäumnisurteile oftmals nur schwer durchsetzbaren waren, war keineswegs befriedigend. Auf diese Weise sollte nunmehr zunehmende Rechtssicherheit bestehen. Es muss abgewartet werden, wie dieses Urteil in der italienischen Rechtspraxis nunmehr umgesetzt wird und ob zukünftig italienische Versäumnisurteile tatsächlich mit Hilfe einer im Sinne des Art. 3 I der Verordnung Nr. 805/2004 im Ausland vollstreckt werden können. Dennoch bleibt auch nach dieser Entscheidung eines der wesentlichen Hindernisse die Einhaltung der entsprechenden Zustellungsvorschriften. Diese richten sich auch weiterhin allgemein nach der Verordnung Nr. 1393/2007, wobei gerade in Italien auch die jeweiligen nationalen Regelungen berücksichtigt werden sollten (s. hierzu auch Forderungseinzug in Italien – italienisches Mahnverfahren). Denn nur bei ordnungsgemäß durchgeführten Zustellungen finden die oben vom EuGH nunmehr entwickelten Grundsätzen nämlich auch Anwendung. Genau vor diesem Hintergrund gilt bei ausländischen Vollstreckungen stets höchste Vorsicht in Hinblick auf die notwendigen Zustellungserfordernisse.

Die Kanzlei A & R Avvocati Rechtsanwälte bietet dabei Ihrem Unternehmen, eine vollumfassende Beratung bei Vollstreckungsfragen nach italienischen und europäischen Recht und unterstützt Sie bei der Anwendung bestehender Rechtskniffe. Um mehr zu grenzüberschreitenden Vollstreckungsfragen zu erfahren, schreiben Sie uns doch einfach an. Unsere Anwälte in den Niederlassungen in München, Mailand und Padua helfen Ihnen gerne weiter.

Verfahrensdauer in Italien – Gehören jahrelange Prozesse zur Vergangenheit?

Nicht endend wollende Prozesse und lange Schlangen vor den Gerichtssälen. Jahrzehnte alte Verfahren führten nicht nur zu fehlenden Vertrauen der Bevölkerung in die eigene Justiz, sondern stellen bis heute eine der wesentlichen Hemmschwellen ausländischer Investoren dar. Sind diese Vorurteile noch zeitgemäß?

6-7 Jahre für Kündigungsschutzklagen, 10-15 Jahre für Erbstreitigkeiten, 15-20 Jahre für Nachbarschaftsklagen. All das soll zukünftig der Vergangenheit angehören. Es scheint als meine es die Politik in Italien nun ernst mit der Veränderung der italienischen Justiz. Die italienische Regierung versuchte in den letzten Jahren immer wieder mit einer Reihe von Reformen die italienische Justiz zu modernisieren und vor allem zu beschleunigen. Seit der Regierung Monti im Jahr 2011 haben eine Reihe struktureller Reformen das italienische Rechtsystem erheblich umgekrempelt und in vielen Bereichen an europäische Standards angeglichen. So wurde beispielsweise das gerichtliche Mahnverfahren vereinfacht (siehe hierzu auch „Forderungseinzug in Italien – italienisches Mahnverfahren“) und das außergerichtliche Schlichtungs- Mediationswesen ausgebaut. Ob diese Maßnahmen auf Dauer zu einer Verkürzung der Proessdauer führen wird, muss die Zukunft noch zeigen.

Die Zahlen aus 2015 zur Prozessdauer in den einzelnen Gerichten und Regionen deuten allerdings auf einen positiven Trend hin. Gerade die Reformen hin zur Digitalisierung des Gerichtsverfahrens (siehe hierzu auch „Der digitale Prozess in Italien“) sowie einer stringenten Strukturierung der Verfahrensabläufe sollten nach Einschätzung vieler Beobachter bereits kurz- mittelfristig zu einer deutlichen Beschleunigung der Verfahren führen. In der Praxis ist dabei zu beobachten, dass beispielweise beim gerichtlichen Forderungseinzug ein rechtskräftiger Titel in 1-3 Monaten erstritten werden kann. Diese Entwicklung stellt insbesondere für Unternehmen eine entscheidende Verbesserung dar, da diese durch die schlechte Zahlungsmoral der eigenen Kunden oftmals selbst in einen Kreislauf der wirtschaftlichen Krise gerutscht sind.

Trotz eines positiven Trends in den einzelnen Bereichen muss auch weiterhin festgestellt werden, dass die Dauer der Zivilprozesse in Italien auch im Jahr 2015 Grund zur Sorge bereiten.  Für einen Rechtszug durch alle drei Instanzen muss italienweit durchschnittlich mit einer Dauer von 8 Jahren und 7 Monaten gerechnet werden. Die veröffentlichten Zahlen bringen ferner die großen Unterschiede zwischen Norden und Süden zum Vorschein. Während im Norden nach durchschnittlich 597 Tagen mit einem erstinstanzlichen Urteil gerechnet werden kann, muss man sich im Süden auf knapp 1000 Tage Prozessdauer einstellen, wie die nachstehende Grafik darlegt.

Prozessdauer Italien

Bei den einzelnen Gerichten stechen insbesondere die Gerichte in Aosta (320 Tagen), Rovereto (327 Tagen) und Cuneo (285 Tagen) positiv heraus. Während die Gerichte in Lamezie Termen (2036 Tagen), Isernia (1720) und Foggia )1595 Tagen) die hinteren Plätze belegen.

Trotz der dargelegten Zahlen besteht Hoffnung, dass sich der eingeschlagene Weg zu einem effizienteren Rechtswesen tatsächlich in der Praxis niederschlagen wird. Viele Veränderungen brauchen sicherlich noch Zeit, um von den Gerichten auch umgesetzt werden zu können. Nach Jahren der Stagnation, scheint zumindest der Wille zur Veränderung bei der italienischen Regierung angekommen zu sein. Ein echtes Fazit kann, wie so oft bei Strukturreformen, wohl erst in einer Rückschau über einen Zeitraum von mehreren Jahren getroffen werden. Es bleibt die Hoffnung, dass die bisherigen positiven Anzeichen nur ein erster Schritt hin zu einem modernen und effizienten Justizwesen sein werden.

Die Kanzlei A & R Avvocati Rechtsanwälte mit den Niederlassungen in München, Mailand und Padua berät und unterstützt Sie und Ihr Unternehmen vor Ort bei Fragen zum italienischen Recht. Erfahrung und Kompetenz macht uns von A & R Avvocati Rechtsanwälte zu Ihrem fachkundigen Berater in Italien.

Der digitale Prozess in Italien

Gerichtsverfahren vor dem italienischen Kassationshof in Zivilsachen werden seit dem 15.02.2016 nur noch in digitaler Form geführt. Papierakten verschwinden zunehmend aus den italienischen Gerichten. Ein weiterer Schritt zu einer verbesserten italienischen Justiz?

Der Weg zum ausschließlich digitalen Gerichtsverfahren (processo telematico) schreitet in Italien immer weiter voran. Während in Deutschland weiterhin über das elektronische Anwaltspostfach (beA) diskutiert wird, ist der digitale Prozess in vielen Bereichen der italienischen Justiz mittlerweile Teil der täglichen Praxis. Während bislang Schriftsätze und Anträge in einigen Verfahren auch in digitaler Form eingereicht werden konnten, sieht Art. 16 Abs. 10 des Gesetzesdekrets Nr. 179 vom 18.10.2012 für Verfahren vor dem Kassationshof in Zivilsachen seit dem 15.02.2016 nur noch die Möglichkeit eines digitalen Prozesses vor. Dies bedeutet, dass ab sofort jeglicher Schriftverkehr bei Streitigkeiten vor dem Kassationshof ausschließlich in digitaler Form zu erfolgen hat. Das Schicksal riesiger Papierakten scheint damit nun endgültig besiegelt. Es besteht die Hoffnung, dass durch diese Änderung nunmehr der Weg auch für die sonstige Gerichtsbarkeit vorgezeichnet ist. Es bleibt abzuwarten, ob hierdurch die lang ersehnte Beschleunigung und Vereinfachung der italienischen Justiz erreicht werden kann (siehe auch Verfahrensdauer in Italien). Jedenfalls besteht in Anbetracht der bisherigen Erfahrungswerte mit dem digitalen Verfahren (bspw. im Rahmen gerichtlicher Mahnverfahren – s. hierzu auch Forderungseinzug in Italien – italienisches Mahnverfahren) durchaus Grund zur Hoffnung. Vieles wird wohl an der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben durch die zuständigen Behörden liegen, damit die guten Vorsätze und Rahmenbedingungen in der Praxis tatsächlich zu einer Verbesserung einer teilweise unwürdigen Justiz führen können. Es bleibt die Hoffnung, dass dies ein wichtiger Schritt in die Zukunft zu einer modernen und funktionierenden Gerichtsbarkeit in Italien sein kann.

Die Kanzlei A & R Avvocati Rechtsanwälte mit den Niederlassungen in München, Mailand und Padua berät und unterstützt Sie und Ihr Unternehmen bei der Geltendmachung Ihrer Forderung vor Ort. Erfahrung und Kompetenz macht uns von A & R Avvocati Rechtsanwälte zu Ihrem fachkundigen Berater in Italien.

 

EU Small Claims Verfahren

Die europäische „Small Claims“ Verordnung nimmt die letzte Hürde und sollte bereits in Kürze in Kraft treten. Wie bereits in dem im Juni auf dieser Seite veröffentlichten Beritrag zum „Small Claims“ Verfahren (EU-Small-Claims-Verfahren: Streitwertobergrenze auf 5.000 Euro erhöht) dargestellt, wurde die Streitwertobergrenze auf 5.000 € erhöht. Einem Inkrafttreten sollte nunmehr nichts mehr im Wege stehen, wie nachfolgend auf der vom DAV veröffentlichten Pressemitteilung dargelegt wird. Auf diese Weise wird der Forderungseinzug europaweit vereinfacht und insbesondere in Ländern wie Italien vereinfacht.

Der Rat der Justizminister hat den im Juni im Trilog erzielten Kompromisstext zur Änderung der Verordnungen 861/2007 EG und 1896/2006 EG über das Verfahren für geringfügige Forderungen (sog. „Small Claims“ Verfahren) am 3. Dezember angenommen (s. EiÜ 23/15 und 32/15). Die Streitwertobergrenze wird in der Verordnung von 2.000 EUR auf 5.000 EUR erhöht. Der DAV hatte erfolgreich eine Erhöhung der Streitwertobergrenze auf 10.000 EUR abgelehnt (s. DAV-SN 6/2014). Nun muss die Verordnung im Amtsblatt veröffentlicht werden und tritt 20 Tage darauf in Kraft, bevor sie 18 Monate später offiziell Geltung entfaltet.

Quelle: DAV – Depesche Nr. 49/15 vom 10. Dezemeber 2015

Verjährung italienisches Recht

Die Verjährung ist für Unternehmen ein wesentlicher Bestandteil des operativen Geschäfts geworden. Nicht zuletzt durch die zunehmende Zahlungsunwilligkeit von Geschäftspartnern muss ein großes Augenmerk auf drohende Fristen und Anspruchsverluste gelegt werden. Gute Kenntnis der Verjährung im italienischen Recht kann nicht nur vor Geldverlust schützen, sondern ist oftmals entscheidend bei strategischen Entscheidungen.

Dabei unterscheiden sich die Verjährung im italienischen Recht in einigen Punkten erheblich von denen aus Deutschland bekannten Grundsätzen. Zunächst sind die gesetzlichen Verjährungsregelungen nicht abdingbar, was im Einzelnen bedeutet, dass die vorgesehenen Verjährungsfristen von den Parteien nicht ohne weiteres verlängert oder verkürzt werden können.

Verjährungsbeginn und Verjährungsfrist

Beginn der Verjährungsfrist ist stets der Tag, an dem das jeweilige Recht erstmals geltend gemacht werden kann. Also dann, wenn die jeweiligen Tatbestandsmerkmale hinreichend bekannt und erfüllt sind. An dieser Stelle ist Vorsicht geboten, da, anders als in Deutschland die Frist eben nicht erst am Ende des Jahres zu laufen beginnt.

Grundsätzlich beträgt die regelmäßige Verjährung in Italien 10 Jahre. Hiervon sind eine Reihe von Ausnahme vorgesehen, wie beispielsweise bei dinglichen Rechten (üblicherweise 20 Jahre). Von besonderer Bedeutung sind die kurzen Verjährungsfristen bei entsprechenden Ansprüchen auf Schadensersatz. Hierbei beträgt die Regelverjährung 5 Jahre. Ebenfalls 5 Jahre beträgt die Verjährung bei gesellschaftsrechtlichen Haftungsansprüchen, wie bspw. Organhaftungsansprüche. Im Bereich der Fracht- und Transportverträgen beträgt die regelmäßige Verjährung  dagegen lediglich 1 Jahr ab dem Zeitpunkt an dem die Ware übergeben hätte werden sollen, bzw. der Transport vorgesehen war.

Unterbrechung der Verjährung

Doch wie lässt sich die Verjährung nach italienischen Recht unterbrechen. Im Vergleich zum deutschen Recht, sieht das italienische Recht eine Unterbrechung der Verjährung durch einfaches Mahnschreiben vor. Eine formell korrekt ausgestaltete Zahlungsaufforderung reicht damit aus, den etwaigen Anspruchsverlust vorzubeugen. Da hieran teils zusätzliche Voraussetzungen geknüpft werden, lohnt sich hierbei nochmals eine kurze Rücksprache mit einem fachkundigen Berater und Anwalt im italienischen Recht.

Die Kanzlei A & R Avvocati Rechtsanwälte bietet dabei Ihrem Unternehmen, eine vollumfassende Beratung zur Verjährung im italienischen Recht und unterstützt Sie bei der Anwendung bestehender Rechtskniffe. Um mehr zur Verjährung in Italien zu erfahren, schreiben Sie uns doch einfach an. Unsere Anwälte in den Niederlassungen in München, Mailand und Padua helfen Ihnen gerne weiter.

EU-Small-Claims-Verfahren: Streitwertobergrenze auf 5.000 Euro erhöht

Am 23. Juni 2015 haben Rat, EU-Parlament und EU-Kommission einen Kompromiss bei der Reform des Verfahrens für geringfügige Forderungen (sog. „Small Claims“) durch Änderungen der Verordnungen 861/2007 EG und 1896/2006 EG erzielt. Umstrittenster Punkt in den Trilogverhandlungen war die Erhöhung der Streitwertobergrenze, die nun von 2.000 auf 5.000 Euro erhöht wird. Die EU-Kommission und auch der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hatten ursprünglich eine Erhöhung auf bis zu 10.000 Euro gefordert, dies hatte der DAV in seiner Stellungnahme Nr. 6/2014 abgelehnt. Teil des Kompromisses ist nun auch, dass bereits in fünf Jahren überprüft werden muss, ob die Streitwertgrenze noch angemessen ist. Des Weiteren einigten sich die Institutionen, dass die Verordnung auch weiterhin keine Anwendung auf Arbeitsrecht und auf Verletzungen der Privatsphäre finden soll. Der Kompromiss muss nun durch den Rechtsausschuss und das Plenum des EU-Parlaments sowie durch den Rat bestätigt werden.

Quelle: DAV – Depesche Nr. 26/15 vom 02. Juli 2015

Das europäische Mahnverfahren

Mit der Verordnung EG Nr. 1896/2006 hat der europäische Gesetzgeber ein einheitliches Mahnverfahren für die Mitgliedstaaten eingeführt. Dieses Verfahren führt zur Vereinfachung und Beschleunigung grenzüberschreitender Mahnverfahren im Zusammenhang mit unbestrittenen zivil- oder handelsrechtlichen Geldforderungen und zur Verringerung der Verfahrenskosten. Der Europäische Zahlungsbefehl wird in allen Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Dänemarks) anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. Dieses Verfahren stellt für den Antragsteller eine zusätzliche Möglichkeit dar. Es steht ihm nach wie vor frei, sich für die im nationalen Recht vorgesehenen Verfahren zu entscheiden.

Dieses ab Dezember 2008 geltende Mahnverfahren ist in grenzüberschreitenden Zivil- und Handelssachen anzuwenden. Eine „grenzüberschreitende Rechtssache“ liegt vor, wenn mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des befassten Gerichts hat.
Voraussetzung ist, dass Geldforderungen beziffert und zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags fällig sind.

Nicht anzuwenden ist die Verordnung zum Beispiel auf Forderungen in steuer- und verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten, auf ehegüterrechtliche und erbrechtliche Forderung. Ausgeschlossen vom Anwendungsbereich des Europäischen Zahlungsbefehls sind unter anderem auch Forderungen im Rahmen der Insolvenz, der Verfahren im Zusammenhang mit dem Abwickeln zahlungsunfähiger Unternehmen oder anderer juristischer Personen, Vergleiche, und ähnlicher Verfahren.

Die Zuständigkeit der nationalen Gerichte bestimmt sich nach den hierfür geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, insbesondere nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Hiernach ist grundsätzlich das Gericht an dem Ort zuständig, an dem der Schuldner seinen Wohnsitz/Sitz hat, es sei denn andere alternative oder fakultative Zuständigkeitskriterien sind anzuwenden (z.B. Gerichtsklauselvereinbarung, Leistungsort usw). Betrifft die Forderung jedoch einen Vertrag, den ein Verbraucher geschlossen hat, und ist der Verbraucher Antragsgegner, so sind nur die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in welchem der Antragsgegner seinen Wohnsitz hat.

Anders als in Deutschland, wo die Zuständigkeit bei dem europäischen Mahngericht in Berlin-Wedding zentralisiert ist, richtet sich die Zuständigkeit in Italien nach dem Ort und nach dem Streitwert. Demnach kann das örtlich zuständige Friedensgericht oder das ordentliche Zivilgericht oder das Berufungsgericht als Gericht erster und letzter Instanz zuständig sein.
Das Verfahren beginnt mit Antrag auf Erlass eines europäischen Zahlungsbefehls beim zuständigen Gericht und ist standardisiert: So wird der Schriftverkehr zwischen dem Gericht und den Parteien wird mit Hilfe von vorgegebenen und an der Verordnung beigefügten Formblättern abgewickelt. Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, vor Gericht zu erscheinen.
Mit dem Antrag auf Erlass eines europäischen Zahlungsbefehls hat der Antragsteller die Beweismittel, die zur Begründung der Forderung herangezogen werden, lediglich zu bezeichnen und zu erklären, dass er die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat.

Das mit dem Antrag befasste Gericht prüft sodann, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind (grenzüberschreitender Charakter der Zivil- oder Handelssache, Zuständigkeit des angerufenen Gerichts usw.) und ob die Forderung begründet erscheint.

Danach entscheidet das Gericht zwischen folgenden Alternativen:
a) Dem Antragsteller wird eingeräumt, den Antrag binnen einer bestimmten Frist zu vervollständigen oder zu berichtigen, wenn dieser nicht alle erforderlichen Angaben enthält, aber die Forderung nicht offensichtlich unbegründet ist;
b) Teilerlass eines europäischen Zahlungsbefehls, wenn die erforderlichen Voraussetzungen nur für diesen Teil der Forderung erfüllt sind und der Antragsteller den Vorschlag des Gerichts über die Änderung seines Antrags annimmt;
c) Zurückweisung des Antrags, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, wenn die Forderung unbegründet ist und wenn sich der Antragsteller über den Änderungsvorschlag des Gerichtes nicht äußert oder diesen ablehnt. Gegen die Zurückweisung des Antrags kann kein Rechtsmittel eingelegt werden. Die Zurückweisung des Antrags hindert den Antragsteller nicht, die Forderung mittels eines neuen Antrags auf Erlass eines europäischen Zahlungsbefehls oder eines anderen Verfahrens nach dem Recht eines Mitgliedstaats geltend zu machen.
d) Erlass des Europäischen Zahlungsbefehls (in der Regel binnen dreißig Tagen nach Einreichung des entsprechenden Antrags)
In dem Europäischen Zahlungsbefehl wird der Antragsgegner informiert, dass der Zahlungsbefehl ausschließlich auf der Grundlage der Angaben des Antragstellers erlassen und das Bestehen der Forderung vom Gericht nicht nachgeprüft wurde. Der Zahlungsbefehl wird vollstreckbar, wenn nicht bei Gericht innerhalb von 30 Tagen ab dem Zeitpunkt der Zustellung Widerspruch eingelegt wird. Das hierfür erforderliche Formblatt liegt dem Zahlungsbefehl automatisch bei.
Der Widerspruch ist bei dem Gericht, das den Zahlungsbefehl ausgestellt hat (Ursprungsgericht), einzureichen. Eine Begründung des Widerspruchs ist zunächst nicht notwendig. Im Fall des Widerspruchs, wird das Verfahren vor den zuständigen Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats gemäß den Regeln eines ordentlichen Zivilprozesses weitergeführt.
Der Gläubiger bzw. Antragsteller kann aber auch bei Antragstellung vorsehen, dass das Verfahren im Falle eines Einspruches beendet wird, um eine Überleitung an das ordentliche Gericht auszuschließen.
Wird kein Einspruch eingelegt, ist der europäische Zahlungsbefehl vollstreckbar und wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass seine Anerkennung angefochten werden kann.

Die Kosten eines europäischen Mahnverfahrens sind in Italien bei Einreichung des Antrages auf Erlass eines Zahlungsbefehls bei einem italienischen Gericht von dem Gläubiger/Antragssteller zu tragen. Die Gerichtskosten („contributo unificato“) werden nach dem Streitwert gemäß entsprechend gestaffelter Tabellenwerte bemessen und betragen wie beim nationalen Mahnverfahren die Hälfte der normalen Gerichtskosten (Art. 13 T.U. Spese di giustizia). Dazu ein Pauschalbetrag von € 27,- (sog. “indennità di notifica” gemäß L. 27.12.2013 Nr. 147) für eventuelle Zustellungen von Amtswegen und die Registersteuer (3%) sowie beim nationalen Mahnverfahren. Die Anwalts- und sonstigen Kosten (Übersetzungen und den von den Parteien vorzunehmenden Zustellungen) sind gesondert zu zahlen.

Der Einzug geringfügiger Forderungen

Forderungseinzug in Italien – italienisches Mahnverfahren

Bei offenen Forderungen gegenüber Unternehmen mit Sitz in Italien stellt sich immer die Frage, wie diese Forderungen am besten eingezogen werden können. Dabei sollte jeder Fall einzeln geprüft werden, um die beste Lösung zu finden. Es empfiehlt sich, aufgrund der Besonderheiten des italienischen Mahnverfahrens, zunächst den Versuch zu unternehmen, eine außergerichtliche Einigung zu finden.

Sollte die außergerichtliche Geltendmachung der Forderung erfolglos verlaufen sein, kann ein Mahnverfahren (Procedimento di ingiunzione) nach italienischem Recht bei dem zuständigen Gericht am Wohnort des Schuldners eingeleitet werden. Das italienische Mahnverfahren findet hauptsächlich Anwendung bei Geldforderungen. Die Forderungen müssen fällig und frei von Einreden sein.

Anderes als in Deutschland, muss die Antragstellung des Mahnbescheides mit schriftlichen Beweisen (z.B. durch notariell beglaubigte Auszüge der Buchhaltung oder durch Rechnungen nebst Lieferscheinen), aus denen sich die Forderung gegenüber der Schuldner ergibt, eingereicht werden. Der Antrag ist gebührenpflichtig. Die Höhe der Gebühren hängt von der Höhe des Streitwertes ab. Dem Rechtsanwalt muss zudem eine notariell beglaubigte Vollmacht erteilt werden. In dem Mahnantrag (ricorso per decreto ingiuntivo) muss der Anwalt den Sachverhalt und den Anspruch des Gläubigers darlegen und die Beweise hinterlegen.

Das Gericht prüft die Begründetheit des Anspruches auf Basis der eingereichten Beweise. Nach Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen, erlässt das italienische Gericht einen Decreto ingiuntivo (Mahnbescheid). Der Decreto ingiuntivo soll dem Schuldner innerhalb 60 Tagen zugestellt werden.

Der Schuldner kann dann innerhalb von 40 Tagen ab Erhalt des Mahnbescheides Einspruch mit einer Klagschrift erheben. Die Klageschrift des Schuldners eröffnet automatisch ein ordentliches Gerichtsverfahren. Mit der Eröffnung eines ordentlichen Verfahrens entstehen höhere Gerichtskosten und Anwaltsgebühren.

Erfolgt kein Einspruch des Schuldners, kann die Vollstreckbarkeitserklärung des Decreto ingiuntivo beantragt werden. Mit dem Titel kann ein Vollstreckungsverfahren in Italien eingeleitet werden.

Aufgrund neuer gesetzlicher Regelungen muss der Mahnantrag ab dem 30. Juni 2014 auf digitalem Weg gemäß art. 16-bis Dekret 18.10.2012 n. 179 eingereicht werden (s. auch Der digitale Prozess in Italien). Die Einreichung in Papierform ist nicht mehr zulässig.

Die Kanzlei A & R Avvocati Rechtsanwälte mit den Niederlassungen in München, Mailand und Padua berät und unterstützt Sie und Ihr Unternehmen bei der Geltendmachung Ihrer Forderung vor Ort. Erfahrung und Kompetenz macht uns von A & R Avvocati Rechtsanwälte zu Ihrem fachkundigen Berater in Italien.