Höhere Gewalt in der Coronakrise

Corona ist weiter in aller Munde. Trotz weitereichender Lockdowns – gerade Italien wurde hierbei als eines der ersten Länder getroffen – scheint sich die wirtschaftliche Situation in ganz Europa mittlerweile weitestgehend mit der Pandemie arrangiert zu haben. Nichtsdestotrotz kommt es weiterhin zu Verzögerungen beim Handelsverkehr, welche u.a. auf die derzeitige Pandemiesituation zurückzuführen sind. In diesem Zusammenhang fällt häufiger der Begriff der Höheren Gewalt. In der Folge wollen wir uns ansehen, was sich hinter diesem Begriff versteht und wie eine korrekte Einordnung in der Pandemie gerade bei Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Italien eine Rolle spielen könnte.

Eine international einheitliche Definition des Begriffs der Höheren Gewalt (italienisch: „forza maggiore“) gibt es nicht. Gemeinhin wird damit ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes und auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares und unerwartetes Ereignis verstanden. Typische Fälle von Höherer Gewalt waren bislang Ereignisse wie Naturkatastrophen (Wirbelstürme, Erdbeben oder Überschwemmungen), Kriege etc.

Rechtlich ist das Vorliegen einer Höheren Gewalt von Bedeutung, da in der Regel die Parteien als Rechtsfolge von ihren Hauptleistungspflichten befreit sind und jede Seite verpflichtet ist, etwaige schädlichen Wirkungen des Ereignisses jeweils selbst tragen. Insbesondere bei Liefer- und/oder Werkverträgen sind die Vertragspflichten werden erst einmal ausgesetzt und werden erst nach dem Ende des außerordentlichen Ereignisses wieder eingesetzt. Hierdurch hätte ein Lieferant z.B. die Möglichkeit, sich etwaigen Vertragsstrafen aus Lieferverzug zu entziehen, insofern sein Verzug auf ein bestimmtes Ereignis (z.B. pandemiebedingte Schließung) zurückzuführen ist.

Bei Vertragsstörungen in Verbindung mit dem Coronavirus ist allerdings fraglich, ob man auch zum jetzigen Zeitpunkt noch von einem „unerwarteten“ Ereignis sprechen kann. War dies gerade in der Anfangsphase zwischen März/April 2020 vor dem Hintergrund einer Vielzahl von behördlichen Maßnahmen wohl noch der Fall, scheint dies für die im Anschluss geschlossenen Verträge eher unklar. Schließen beispielsweise ein deutsches und ein italienisches Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt einen Vertrag können die pandemiebedingten Folgen wohl kaum noch als unerwartet eingestuft werden. Die derzeitige Situation sollte dabei vielmehr bereits im Rahmen des Vertrags Berücksichtigung finden. Hierfür können beispielsweise spezifische Klauseln entworfen bzw. eine Flexibilität bei den Lieferfristen vorgesehen werden. Vorsicht ist dabei bei der Ausgestaltung geboten, da die jeweiligen nationalen Rechtsprechungen derzeit eine äußerst unterschiedliche Auslegung der Pandemiesituation auf etwaige Handelsverträge vornehmen. Einheitlich scheint dabei allerdings der Umstand, dass insofern die Parteien keine spezifischen Regelungen bei aktuellen Verträge treffen, der Rückgriff auf eine pandemiebedingte Höhere Gewalt mit hoher Wahrscheinlichkeit ausscheiden könnte.

Da die rechtliche Einstufung als Höhere Gewalt und die möglichen Rechtsfolgen sehr vom Einzelfall abhängig und damit mit einiger Rechtsunsicherheit verbunden sind, empfehlen wir als Praxistipp gerade bei dem Abschluss künftiger Verträgen die derzeitige Situation stets im Blick zu haben. Dies sollte durch spezifische Vertragsklauseln erfolgen, die vor dem Hintergrund eines internationalen Geschäfts auch einer Prüfung der einzelnen Rechtsordnungen standhalten.

Die Kanzlei A & R Avvocati Rechtsanwälte weist dabei eine langjährige Erfahrung im Rahmen des internationalen Sachverhalte und unterstützt Ihr Unternehmen gerne bei der Ausgestaltung grenzüberschreitender Verträge.