Europäischer Vollstreckungstitel bei italienischen Versäumnisurteilen möglich

Ein Europäischer Vollstreckungstitels im Sinne der Verordnung Nr. 805/2004 kann auch bei Vorliegen eines italienischen Versäumnisurteils erteilt werden. In einer am 16.06.2016 ergangenen Entscheidung (EuGH Urteil C-511/14) legte der EuGH fest, dass die notwendige Voraussetzung gemäß Art. 3 I Verordnung Nr. 805/2004 ausschließlich nach Unionsrecht zu bestimmen seien.

Streitpunkt war in der Vergangenheit insbesondere, ob eine Gerichtsentscheidung auch im Falle einer Säumnis als „unbestritten“ angesehen werden kann. Die für das ursprüngliche Versäumnisverfahren einschlägige italienische Rechtsordnung setzt Versäumnisurteile allgemein nicht mit einem Nichtbestreiten gleich. Die Anwendung der Verordnung Nr. 805/2004 wäre folglich im Falle von Versäumnisurteilen ausgeschlossen. Auf dieser Grundlage und mit Verweis auf die nach italienischem Recht allgemein anerkannte Rechtsauffassung, wonach eine Säumnis keine Aussage über das Bestehen einer Forderung treffe, wurde von italienischen Gerichten die Ausstellung eines Europäischen Vollstreckungstitels regelmäßig verweigert. Eine Geltendmachung im Ausland des vor italienischen Gerichts erstrittenen Versäumnisurteils war daher nicht selten beschwerlich und teils unmöglich. Mit dem oben zitierten Urteil hat der EuGH nunmehr entschieden, dass die Bewertung der in Art. 3 I der Verordnung Nr. 805/2004 genannten Voraussetzung der „unbestrittenen“ Forderung lediglich auf der Grundlage von Unionsrecht zu bewerten ist. Demnach gilt eine Forderung dann unbestritten, wenn ihr der Schuldner im gerichtlichen Verfahren zu keiner Zeit widersprochen hat, obwohl ihm die Möglichkeit hierzu eingeräumt wurde. Ein solch fehlender Widerspruch seitens des Schuldners liegt nach dem EuGH auch dann vor, wenn der Schuldner nicht zur Gerichtsverhandlung erscheint oder einer Aufforderung des Gerichts, schriftlich mitzuteilen, ob er sich zu verteidigen beabsichtigt, nicht nachkommt. Die italienischen Regelungen treten folglich hinter diese Bewertung zurück. Ein Versäumnisurteil kann mithin zukünftig auch in Italien als Europäischer Vollstreckungstitel im Sinne des Art. 3 I der Verordnung Nr. 805/2004 ausgefertigt werden.

Die Entscheidung des EuGH stellt einen weiteren Schritt zur Vereinheitlichung europäischer Verfahrensvorschriften dar. Die Tatsache, dass ein deutsches oder französisches Versäumnisurteil mit Hilfe eines Europäischen Vollstreckungstitels einfach und unkompliziert in Drittstaaten vollstreckt werden konnten, wohingegen vor italienischen Gerichten erwirkte Versäumnisurteile oftmals nur schwer durchsetzbaren waren, war keineswegs befriedigend. Auf diese Weise sollte nunmehr zunehmende Rechtssicherheit bestehen. Es muss abgewartet werden, wie dieses Urteil in der italienischen Rechtspraxis nunmehr umgesetzt wird und ob zukünftig italienische Versäumnisurteile tatsächlich mit Hilfe einer im Sinne des Art. 3 I der Verordnung Nr. 805/2004 im Ausland vollstreckt werden können. Dennoch bleibt auch nach dieser Entscheidung eines der wesentlichen Hindernisse die Einhaltung der entsprechenden Zustellungsvorschriften. Diese richten sich auch weiterhin allgemein nach der Verordnung Nr. 1393/2007, wobei gerade in Italien auch die jeweiligen nationalen Regelungen berücksichtigt werden sollten (s. hierzu auch Forderungseinzug in Italien – italienisches Mahnverfahren). Denn nur bei ordnungsgemäß durchgeführten Zustellungen finden die oben vom EuGH nunmehr entwickelten Grundsätzen nämlich auch Anwendung. Genau vor diesem Hintergrund gilt bei ausländischen Vollstreckungen stets höchste Vorsicht in Hinblick auf die notwendigen Zustellungserfordernisse.

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