Neue europäische Verordnung zur Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen

Ab dem 10.01.2015 wird die europäische Verordnung 44/2001, welche die Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im Bereich des Zivil- und Handelsrechts innerhalb der EU geregelt hat, durch die neue Verordnung 1215/2012 ersetzt.
Die neue Verordnung führt sowohl einige Änderungen hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen ein, sowie zur Rechtshängigkeit und Verbindung von Klagen.

Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Abschaffung der notwendigen Anerkennungsverfahren von solchen Gerichtsentscheidungen, die in einem Mitgliedsstaat (bspw. Italien) erlassen wurden und nunmehr in einem anderen Mitgliedsstaat (bspw. Deutschland) vollstreckt werden sollen.
So sieht Art. 39 der neuen Verordnung vor, dass, „eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung, die in diesem Mitgliedstaat vollstreckbar ist, in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar ist, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf“. Damit entfällt die von der bisherigen Verordnung (44/2001) vorgesehene Vollstreckbarerklärung, was in Zukunft eine Gleichstellung der in den verschiedenen EU Staaten erlassenen Gerichtsentscheidungen mit den jeweiligen inländischen Entscheidungen bedeuten wird.
Folglich muss ein deutscher Unternehmer, der ein in Deutschland erwirkten Titel in Italien vollstrecken möchte, lediglich seiner Gegenseite eine Kopie der Entscheidung mit dem entsprechenden von dem deutschen Gericht erlassenen Formular (ordnungsgemäß auf Italienisch übersetzt) zustellen und kann dann im Anschluss zur Vollstreckung übergehen.
Die neue Regelung findet, ohne weitere notwendige Anerkennungsverfahren, auch auf öffentlich- rechtliche Rechtsakte, sowie auf gerichtliche Vergleiche Anwendung, insofern diese im Ursprungsland vollstreckbar sind.
Um mit der Vollstreckung dieser Titel verfahren zu können, muss vom Gericht des Ursprungslandes eine Bestätigung (auf der Grundlage des Formulars gem. Anlage 2 der neuen Verordnung) ausgestellt werden, aus der sich eine Zusammenfassung der vollstreckbaren Elemente des entsprechenden Rechtsakts oder des Vergleichs entnehmen lässt.
Was die Zuständigkeit in Hinblick auf Kauf- und Dienstverträge betrifft, sieht die neue Verordnung keine besonderen Veränderungen vor. Es bleibt bei dem Grundsatz, wonach die Zuständigkeit bei dem Gericht des Mitgliedsstaats liegt, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz, bzw. bei juristischen Personen den eigenen Rechtssitz, hat. Zudem besteht eine örtliche Gerichtszuständigkeit am vertraglich vorgesehenen Erfüllungsort, also an dem Ort, in dem die Hauptleistung zu erbringen ist.
Die Definition des hier beschriebenen Erfüllungsorts bleibt weitestgehend unverändert:
– Bei Kaufverträgen ist der Ort in einem Mitgliedstaat maßgebend, “an dem nach dem Vertrag geliefert worden ist oder hätten geliefert werden müssen” (Art 7.1(b) Alt. 1 Verordnung 1215/2012).
– Bei Dienstleistungen ist der Ort in einem Mitgliedsstaat maßgebend, „an dem diese nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen” (Art 7.1(b) Alt. 1 Verordnung 1215/2012).

Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren in Italien

Der Insolvenzverwalter benachrichtigt über das Insolvenzverfahren die Gläubiger sowie die Inhaber dinglicher oder persönlicher Rechte an beweglichen und unbeweglichen Sachen, die im Eigentum oder im Besitz des Schuldners sind. Mit dieser Mitteilung fordert der Insolvenzverwalter die Adressanten zur Forderungsanmeldung auf und teilt den Tag des Prüfungstermins sowie andere notwendigen Auskünfte mit, um die Vorlage des Antrags zur Forderungsanmeldung zu erleichtern. Gläubiger mit Sitz im Ausland können auch durch einem zu beauftragenden italienischen Rechtsanwalt benachrichtigt werden. 

Die Forderungsanmeldung in Italien erfolgt durch einen Antrag, der von den Gläubigern in italienischer Sprache oder in italienischer Übersetzung 30 Tage vor dem Prüfungstermin an die zertifizierte elektronische E-Mail Adresse des Insolvenzverwalters digital zu senden ist. Der Antrag muss Folgendes enthalten:
– das Verfahren und die Daten des Gläubigers,
– die anzumeldende Forderungshöhe,
– eine kurze Darstellung der Tatsachen und Rechtsgründe, auf die sich die Forderung stützt,
– den Forderungsgrund (titolo) für eine vorzugsweise Befriedigung,
– die zertifizierte elektronische E-Mail Adresse (PEC- siehe auch „In Italien besteht die Pflicht zur zertifizierten Email„) für die weitere digitalen Mitteilungen des Verfahrens.
Als Anlage muss die Urkunde beigelegt werden, aus welchem sich der Anspruch ergibt (z.B. Vertragsurkunde, Rechnungen usw.). Die Nachweise können aber noch bis zum Prüfungstermin für die angemeldeten Forderungen nachgereicht werden.

Neben den Forderungen können auch folgende Ansprüche geltend gemacht werden: Antrag auf Herausgabe beweglicher und unbeweglicher Sachen (domanda di rivendica), Antrag auf Rückgabe (domanda di restituzione).

Der Insolvenzverwalter fertigt sodann den Entwurf der Insolvenztabelle (progetto di stato passivo) an. Dafür prüft er die angemeldeten Forderungen und erstellt ein Gläubigerverzeichnis mit begründeten Stellungnahmen zu jeder Anmeldung, bestehenden Einwendungen oder Gründe der Unwirksamkeit des Forderungsgrunds. Anschließend teilt er den Gläubigern, den Inhabern von Rechten an Sachen und dem Schuldner mit, dass sie den Entwurf prüfen können und bis zu Prüfungstermin schriftliche Stellungnahmen abgeben können.

In dem Prüfungstermin prüft das Gericht die Tabelle und entscheidet über die Zulassung jeder der angemeldeten Forderungen. Dieser Termin muss innerhalb von 120 Tagen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfinden. Nach der Prüfung erklärt das Gericht durch Dekret die Insolvenztabelle – mit Wirkung lediglich für das Insolvenzverfahren – für vollstreckbar.

Gegen die (auch teilweise) Nichtanerkennung von Forderungen, können die betroffenen Gläubiger Rechtsmittel gem. Art. 98 it. Insolvenzordnung einlegen.

“Accordi di ristrutturazione” und “Piano di risanamento” im it. Insolvenzrecht

Durch die umfangreichen Reformen des italienischen Insolvenzrechts in den letzten Jahren, sollte die Weiterführung und Sanierung von Unternehmen in Krisenlagen gefördert werden. Hierzu wurden verschiedene Verfahrenswege gesetzlich verankert. Zu diesen Verfahren gehören die Accordi di ristrutturazione dei debiti und Piano di risanamento sowie das Concordato preventivo.

Accordi di ristrutturazione dei debiti – Umschuldungsvereinbarungen
Nach Art. 182bis L.F. besteht bis zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit die Möglichkeit, außergerichtliche Umschuldungsvereinbarungen mit den Gläubigern zu schließen. Das Ziel dieser Vereinbarung ist die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens, der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger findet in diesem Fall keine Anwendung.

Das Unternehmen legt den Gläubigern in der außergerichtlichen Phase einen Umschuldungsplan vor. Diesem Plan müssen Gläubiger, die mind. 60% der Forderungen vertreten, zustimmen. Ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer muss die Richtigkeit der Informationen über das Unternehmen und den Plan auf seine Durchführbarkeit hin prüfen. Er muss zudem bestätigen, dass nach dem Vergleich mit den Gläubigern voraussichtlich ausreichend Zahlungsmittel zur vollständigen Befriedigung der übrigen Gläubiger, die dem Plan nicht zugestimmt haben, vorhanden sein werden.

Nach der Zustimmung der Gläubiger ist der Umschuldungsplan dem Insolvenzgericht vorzulegen und im Handelsregister zu veröffentlichen.
Mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung läuft ein 60-tätiges Verbot des einstweiligen Rechtsschutzes und der Einzelzwangsvollstreckung für die Gläubiger, die nicht zugestimmt haben. Dieses Verbot kann schon in der Verhandlungsphase des Plans gelten, wenn der Schuldner bestimmte Unterlagen bei Gericht einreicht.
Das Verbot gilt bis zu 120 Tage nach der gerichtlichen Bestätigung der Vereinbarung.

Der Genehmigungsantrag des Plans ist zudem dem Insolvenzgericht vorzulegen.
Das Gericht entscheidet unter Berücksichtigung des Wirtschaftsprüfergutachtens sowie etwaiger eingelegter Widersprüche. Gläubiger und andere von dem Plan Betroffene können innerhalb von 30 Tagen ab der Veröffentlichung im Handelsregister Widerspruch gegen den Umschuldungsplan einlegen.
Die gerichtliche Genehmigung (omologazione) bewirkt, dass die während der Umschuldungsvereinbarung durchgeführten Rechtshandlungen in einem sich evtl. anschließenden Insolvenzverfahren nicht angefochten werden können. Gegen die gerichtliche Genehmigung können die Gläubiger mit einer Beschwerde vorgehen.
Mit der Eintragung und Veröffentlichung des Genehmigungsdekrets in dem Unternehmensregister wird die Umschuldungsvereinbarung gegenüber allen Gläubigern wirksam.

Piano di risanamento – Sanierungsplan

Der Schuldner, der nur vorübergehende wirtschaftliche Schwierigkeiten hat, kann einen sog. Sanierungsplan aufstellen und diesen Plan ebenfalls den Gläubiger außergerichtlich vorstellen. Anders als bei der Umschuldungsvereinbarung soll der Plan die Voraussetzungen für die Sanierung des Unternehmens vorsehen. In diesem Fall ist keine gerichtliche Kontrolle vorgesehen. Allerdings muss die Richtigkeit der Informationen über das Unternehmen und die Durchführbarkeit des Planes ebenso von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer bestätigt werden. Die Vereinbarung eines Sanierungsplans löst kein Verbot der Einzelzwangsvollstreckung aus. Der Sanierungsplan, der auf Antrag des Schuldners im Unternehmensregister veröffentlich wird, hat lediglich anfechtungsrechtlichen Wirkungen in einem ggf. nachfolgenden Insolvenzverfahren.

Concordato preventivo im italienischen Insolvenzrecht

Unter dem concordato preventivo versteht man einen von den Gläubigern vereinbarten Vergleich, der vom Schuldner vorgeschlagen wird. Dieser dient dem Ziel, ein Insolvenzverfahren abzuwenden und wird mit der gerichtlichen Bestätigung für alle Gläubiger bindend. Zu dem Verfahren sind Unternehmer in einer Krisenlage zugelassen. 

Inhalt des vorgelegten Vergleichsplans kann die Umschichtung und Befriedigung der Schulden, die Zuweisung der betroffenen unternehmerischen Tätigkeiten an einen Übernehmer, die Unterteilung der Gläubiger in Gruppen sowie die unterschiedliche Behandlungsweise dieser Gruppen sein.

Es obliegt dem Schuldner zu entscheiden, den Antrag auf Zulassung des Vergleichsplans bei dem zuständigen Gericht der Hauptsitz des Unternehmens zu hinterlegen.

Der Antrag muss mit den folgenden Unterlagen vorgelegt werden:

– einem Bericht über die Vermögens-, Wirtschaft- und Finanzlage des Unternehmens,
– einem aufgegliederten Vermögensverzeichnis mit Schätzwerten,
– einem Gläubigerverzeichnis,
– einem Verzeichnis der Inhaber von dinglichen oder persönlichen Rechten,
– einer Angabe über den Wert der Sachen und Privatgläubiger von unbeschränkt haftenden Gläubigern sowie
– einem Plan mit der detaillierten Beschreibung der Erfüllungsmodalitäten und Erfüllungszeiten des Vergleichsplanes.

Es bedarf ferner der Bestätigung der Richtigkeit der Informationen über das Unternehmen und der Durchführbarkeit des Planes durch einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer.

Es besteht nunmehr nach der letzten Gesetzesänderung die Möglichkeit des Schuldners ab der Antragshinterlegung bis zum dem Bestätigungsdekret Rechtsgeschäfte im Rahmen der laufenden Geschäftstätigkeit sowie außerordentliche dringende Geschäfte abzuschließen, sofern die Genehmigung des Gerichtes vorliegt.

Dritte sind in diesen Fällen besonderes geschützt, weil deren Forderungen vorab befriedigt werden und deren Handlungen nicht nachträglich angefochten werden können.

Verträge, die bereits vor dem Vergleichsverfahren abgeschlossen wurden, können entweder aufgelöst oder bis zu 60 Tagen unterbrochen werden. Unter bestimmten Voraussetzungen können Finanzierungen als vorab zu befriedigende Forderungen behandelt werden.

Das Gericht entscheidet über die Zulassung des Vergleichsvorschlags durch Dekret. Mit dem Dekret werden ein Verfahrensrichter und einen Vergleichsverwalter bestellt und die Gläubiger einberufen. Der Betrag für die voraussichtlichen Verfahrenskosten muss hinterlegt werden.

Nach der Zulassung führt der Schuldner das Unternehmen unter Aufsicht des Vergleichsverwalters weiter und teilt den Gläubigern den Vergleichsvorschlag und den Tag der Gläubigerversammlung mit.

Vollstreckungen (Klagen und Klagen auf einstweiligen Rechtsschutz) der Gläubiger sind ab der Veröffentlichung des Antrags bis zur Rechtskraft des Bestätigungsdekrets des Verfahrens ausgesetzt.

Für die Annahme des Vergleichsvorschlags bedarf es der Mehrheit der zur Abstimmung zugelassenen Gläubigerforderungen, bei Gläubigergruppen der Mehrheit der Gruppen.
Nach der Annahme bestätigt das Gericht das Verfahren mit einem Bestätigungsdekret (decreto di omologazione). Dadurch wird das Vergleichsverfahren für alle Gläubiger bindend.

Findet der Vorschlag keine Mehrheit, eröffnet der Richter das Insolvenzverfahren.

Der Vergleichsverwalter überwacht die Einhaltung der im Bestätigungsdekret genannten Bedingungen. Das Verfahren kann aufgehoben werden, wenn die Bedingungen nicht eingehalten werden.

Forderungseinzug in Italien – italienisches Mahnverfahren

Bei offenen Forderungen gegenüber Unternehmen mit Sitz in Italien stellt sich immer die Frage, wie diese Forderungen am besten eingezogen werden können. Dabei sollte jeder Fall einzeln geprüft werden, um die beste Lösung zu finden. Es empfiehlt sich, aufgrund der Besonderheiten des italienischen Mahnverfahrens, zunächst den Versuch zu unternehmen, eine außergerichtliche Einigung zu finden.

Sollte die außergerichtliche Geltendmachung der Forderung erfolglos verlaufen sein, kann ein Mahnverfahren (Procedimento di ingiunzione) nach italienischem Recht bei dem zuständigen Gericht am Wohnort des Schuldners eingeleitet werden. Das italienische Mahnverfahren findet hauptsächlich Anwendung bei Geldforderungen. Die Forderungen müssen fällig und frei von Einreden sein.

Anderes als in Deutschland, muss die Antragstellung des Mahnbescheides mit schriftlichen Beweisen (z.B. durch notariell beglaubigte Auszüge der Buchhaltung oder durch Rechnungen nebst Lieferscheinen), aus denen sich die Forderung gegenüber der Schuldner ergibt, eingereicht werden. Der Antrag ist gebührenpflichtig. Die Höhe der Gebühren hängt von der Höhe des Streitwertes ab. Dem Rechtsanwalt muss zudem eine notariell beglaubigte Vollmacht erteilt werden. In dem Mahnantrag (ricorso per decreto ingiuntivo) muss der Anwalt den Sachverhalt und den Anspruch des Gläubigers darlegen und die Beweise hinterlegen.

Das Gericht prüft die Begründetheit des Anspruches auf Basis der eingereichten Beweise. Nach Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen, erlässt das italienische Gericht einen Decreto ingiuntivo (Mahnbescheid). Der Decreto ingiuntivo soll dem Schuldner innerhalb 60 Tagen zugestellt werden.

Der Schuldner kann dann innerhalb von 40 Tagen ab Erhalt des Mahnbescheides Einspruch mit einer Klagschrift erheben. Die Klageschrift des Schuldners eröffnet automatisch ein ordentliches Gerichtsverfahren. Mit der Eröffnung eines ordentlichen Verfahrens entstehen höhere Gerichtskosten und Anwaltsgebühren.

Erfolgt kein Einspruch des Schuldners, kann die Vollstreckbarkeitserklärung des Decreto ingiuntivo beantragt werden. Mit dem Titel kann ein Vollstreckungsverfahren in Italien eingeleitet werden.

Aufgrund neuer gesetzlicher Regelungen muss der Mahnantrag ab dem 30. Juni 2014 auf digitalem Weg gemäß art. 16-bis Dekret 18.10.2012 n. 179 eingereicht werden (s. auch Der digitale Prozess in Italien). Die Einreichung in Papierform ist nicht mehr zulässig.

Die Kanzlei A & R Avvocati Rechtsanwälte mit den Niederlassungen in München, Mailand und Padua berät und unterstützt Sie und Ihr Unternehmen bei der Geltendmachung Ihrer Forderung vor Ort. Erfahrung und Kompetenz macht uns von A & R Avvocati Rechtsanwälte zu Ihrem fachkundigen Berater in Italien.