Erbschaftssteuerliche Anzeigepflicht inländischer Kreditinstitute mit EU-Niederlassung
Kann sich eine inländische Bank im Rahmen ihrer Auskunftspflicht einer unselbstständigen Zweigniederlassung auf ein im Ausland geltendes Gesetz zum Bankgeheimnis berufen? In einem Europa ohne Grenzen sind Ferienhäuser in Italien, Konten in Österreich oder ein Boot in Frankreich keine Seltenheit mehr. Komplikationen können sich dabei aus vielerlei Gesichtspunkten ergeben und nicht zuletzt im Rahmen von erbschaftrechtlichen Fragestellungen. Im nachfolgend dargestellten Fall geht es dabei um die Frage der unterschiedlichen Handhabe des Bankgeheimnisses innerhalb der EU und entsprechende Auswirkungen auf die betreffenden Bankhäuser.
Steht die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV einer Regelung in einem Mitgliedstaat entgegen, nach der ein Kreditinstitut mit Sitz im Inland beim Tod eines inländischen Erblassers auch dessen Vermögensgegenstände, die in einer unselbständigen Zweigstelle des Kreditinstituts in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer im Inland zuständigen FA anzuzeigen hat, wenn in dem anderen Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen? Der EuGH beantwortete diese vom Bundesfinanzhof vorgelegte Frage nunmehr ausdrücklich im Rahmen einer jüngsten Entscheidung vom 14.04.2016 – C-522/14 (Entscheidung im Volltext lesbar).
Grundlage der Entscheidung war ein zwischen der Sparkasse Allgäu und de. Finanzamt Kempten geführter Rechtsstreit. Hierbei weigerte sich die Bank, das Finanzamt über bei seiner unselbstständigen Zweigstelle in Österreich geführte Konten von Personen zu informieren, die zum Zeitpunkt ihres Todes in Deutschland Steuerinländer waren. Das Kreditinstitut berief sich dabei auf die österreichische Gesetzeslage, die zu Gunsten des Bankgeheimnisses die Auskunftspflicht der Banken gegenüber den Steuerbehörden stark einschränkt. Eine Auskunft habe zur Folge, dass die Bank gewissermaßen gezwungen sei, gegen die in Österreich gültigen Rechtsvorschriften zu verstoßen. Das Kreditinstitut sah in einer solchen Auskunftspflicht eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit, da deutsche Kreditinstitute auf diesem Weg gehindert werden, über eine Zweigstelle geschäftlich tätig zu werden. Der EuGH stellt sich im Rahmen des obengenannten Urteils nunmehr gegen eine solche Argumentation. Demnach sei Art. 49 AEUV dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, nach der Kreditinstitute mit Sitz in diesem Mitgliedstaat den nationalen Behörden Vermögensgegenstände, die bei ihren unselbstständigen Zweigstellen in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, im Fall des Ablebens des Eigentümers dieser Vermögensgegenstände, der im erstgenannten Mitgliedstaat Steuerinländer war, anzeigen müssen, wenn im zweitgenannten Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen. Der EuGH stützt seine Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet sei, seine Steuervorschriften auf die Vorschriften eines anderen Mitgliedstaates abzustimmen, um jegliche sich aus den Wechselwirkungen der nationalen Vorschriften ergebende Diskrepanz zu beseitigen. Die Tatsache, dass das österreichische Recht eine entsprechende Anzeigepflicht nicht kennt, dürfe nicht zum Ausschluss der gesetzlichen Vorgaben in Deutschland führen. Die Niederlassungsfreiheit führe nämlich nicht dazu, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet wäre, seine diesbezüglichen steuerlichen Vorschriften auf die Steuervorschriften eines anderen Mitgliedstaats abzustimmen, um in allen Situationen zu gewährleisten, dass jede Diskrepanz, die sich aus den nationalen Regelungen ergibt, beseitigt wird.
Das Urteil bezieht sich auf eine unselbstständige Niederlassung und eben nicht auf selbstständige Zweigstellen oder Tochterunternehmen. Daher bleibt abzuwarten, ob und in welchem Umfang das Urteil in der Praxis für Auswirkungen sorgen wird. Nichtsdestotrotz bleibt die Frage sich wiedersprechender Rechtsvorschriften innerhalb der EU von großer Bedeutung, und zwar insbesondere im Rahmen von erbrechtlichen Fallkonstellationen. Zwar kam es in den letzten Jahren auch in Österreich zu einer gewissen Lockerung des Bankgeheimnisses (der Rechtsstreit bezieht sich auf einen Sachverhalt aus dem Jahr 2008), doch können auch weiterhin teils große Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Rechtsverordnungen festgestellt werden.
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