Internationales Transportrecht: Raubüberfall in Italien unvermeidbar

Ein bewaffneter Raubüberfall auf einen fahrenden Lastzug auf einer italienischen Autobahn ist im Allgemeinen unvermeidbar i.S. von Art. 17 II CMR, sofern die konkreten Umstände des Einzelfalls nicht für eine Außerachtlassung der äußersten, einem besonders gewissenhaften Frachtführer bzw. Fahrer vernünftigerweise noch zumutbaren Sorgfalt sprechen.

In einem vom BGH zu entscheidenden Fall ging es insbesondere um die Frage, ob durch das nächtliche Fahren auf einer italienischen Autobahn in der Nähe der süditalienischen Stadt Bari die zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Im einschlägigen Fall beauftragte ein Speditionsunternehmen ein Transportunternehmen mit der Beförderung von Reifen und Gummibändern zu festen Preisen von Aachen nach Matera in Süditalien. Der LKW wurde kurz vor dem Ziel zwischen 0.00 Uhr und 0.30 Uhr auf offener Straße zwischen Bari und Altamura in Apulien von drei Tätern mit Waffengewalt gestoppt und der Fahrer wurde zum Aussteigen gezwungen. Das Transportgut im Werte von 125.157,45 DM wurde anschließend geraubt.

Das vorbefasste OLG hatte der Klage des Speditionsunternehmen stattgegeben und eine Außerachtlassung der zumutbaren Sorgfalt angenommen. Der BGH (Urteil vom 13.11.1997I ZR 157/95) dagegen hat die Klage abgewiesen und dabei festgestellt, dass der nächtliche Raubüberfall für das Transportunternehmen bzw. dem Frachtführer im Sinne des Art. 17 II CMR ein unvermeidbares Ereignis war. Demnach sei die Haftung nach Art. 17 II CMR dann ausgeschlossen, wenn der Schaden durch Umstände verursacht worden ist, die sowohl für das Transportunternehmen selbst als auch für dessen Gehilfen (Art. 3 CMR) unvermeidbar waren und deren Folgen keine dieser Personen abwenden konnte. Unvermeidbarkeit i.S. von Art. 17 II CMR sei nach dem BGH nur anzunehmen ist, wenn der Frachtführer darlegt und ggf. beweist, dass der Schaden auch bei Anwendung der äußersten, dem Frachtführer möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können. Die Annahme des Transportunternehmens, ein Raubüberfall auf einen fahrenden Lkw sei im Allgemeinen unvermeidbar, begegnet entsprechend der Ansicht des BGH keinen rechtlichen Bedenken. Das Speditionsunternehmen hatte die Auffassung vertreten, der Fahrer hätte bei Anwendung der äußersten Sorgfalt auf einem bewachten Autohof übernachten müssen und erst am nächsten Morgen weiterfahren dürfen, weil die Straßen in Süditalien jedenfalls bei Nacht besonders gefährdet seien. Diese Ansicht teilte das mit dem Fall befasste OLG. Dieses vertrat die Ansicht, dass das Risiko eines Raubüberfalls auf einen fahrenden Lkw während einer Nachtfahrt auf süditalienischen Straßen gegenüber dem Abstellen des Fahrzeugs auf einem bewachten Parkplatz in Süditalien größer sei.

Gegen diese Auffassung stellte sich dagegen der BGH. Dieser führte aus, dass bereits nicht entnommen werden, auf welcher Grundlage das OLG seine Feststellung getroffen habe. Es liege daher nahe, dass dieses sich auf die allgemeine Lebenserfahrung hat stützen wollen. Dabei hätte das OLG jedoch beachten müssen, dass sich der veröffentlichten Rechtsprechung zahlreiche Beispiele dafür entnehmen lassen, dass es auch auf bewachten Parkplätzen in Italien zu Diebstählen und Raubüberfällen auf stehende Fahrzeuge gekommen ist; fahrende Lkw wurden von den Tätern dagegen nur in wenigen Ausnahmefällen zum Anhalten gezwungen. Überdies sei unberücksichtigt geblieben, dass ein fahrender schwer beladener Lkw angesichts der aufgrund der Fortbewegung auftretenden mechanischen Kräfte das Risiko eines gewaltsamen Überfalls erheblich vermindert. Erfahrungsgemäß gehöre eine größere kriminelle Energie dazu, einen fahrenden Lkw zu stoppen und zu berauben. Auch den Akten ließen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Nachtfahrt im konkreten Fall ein größeres Entwendungsrisiko für die Ladung dargestellt hat als das Übernachten auf einem bewachten Parkplatz. Abschließend berücksichtigte der BGH auch den Umstand, dass von der Autobahnabfahrt bis zum umzäunten und bewachten Hof der Empfängerin des Transportgutes in Matera nur noch rund 45 km zurückzulegen waren. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Transport zur Nachtzeit auf der von dem Fahrer benutzten Landstraße risikoreicher war als das nächtliche Befahren anderer Straßen.

Der BGH kippte folglich die Ansicht des OLG, wonach der Fahrer entweder die Nachtruhe auf einem bewachten Parkplatz verbringen hätte müssen oder die Transportdurchführung so zu organisieren war, dass eine Nachtfahrt auf italienischen Straßen vermieden wird. Das Erfordernis der notwendigen Sorgfalt könne laut dem BGH nicht so weit gehen, im Ergebnis auf sämtliche Nachtfahrten in Italien zu verzichten. Dies könne den Transportunternehmen als Voraussetzung für eine Haftungsbefreiung nach Art. 17 II CMR nicht generell zugemutet werden.

Das Urteil stellt ein klassisches Schulbeispiel der im internationalen Transportrecht abzuwägenden Sorgfaltsmaßstäbe und den Vorgaben des CMR dar. Den Volltext dieser Entscheidung stellen wir Ihnen durch Klick auf den nachfolgenden Link (Volltext zum internationalen Transportrecht) gerne zur Verfügung.

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