EuGH Entscheidung zum Europäischen Zahlungsbefehl: § 1092a ZPO nicht unionsrechtswidrig

Eine vielfach diskutierte Frage zur Übereinstimmung des § 1092a ZPO mit geltendem Unionsrecht ist nunmehr geklärt. Am 5. Dezember 2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusätzliche Rechtsbehelfe im Zusammenhang mit dem Europäischen Zahlungsbefehl einführen können, sofern diese die unionsrechtlichen Mindestvorgaben nicht beeinträchtigen (C-389/23). Damit hat der EuGH den in § 1092a ZPO geregelten Rechtsbehelf zur Nichtigerklärung eines Europäischen Zahlungsbefehls für unionsrechtskonform erklärt.

Das Amtsgericht Wedding, Deutschlands zentrales Europäisches Mahngericht, hatte dem EuGH die Frage zur Vereinbarkeit des § 1092a ZPO mit den Verordnungen (EG) Nr. 1896/2006 und Nr. 1393/2007 zur Vorabentscheidung vorgelegt. § 1092a ZPO sieht die Möglichkeit zugunsten des Antragsgegners vor, die Nichtigkeit eines Europäischen Zahlungsbefehls geltend zu machen, sofern die Zustellung nicht oder nicht ordnungsgemäß erfolgt ist.

Dieser Rechtsbehelf tritt zusätzlich zu dem in den Artikeln 16 und 17 der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 geregelten Einspruch in Kraft und greift damit weit früher im Verfahrensablauf ein. Die in § 1092a ZPO getroffene Regelung ist dabei durchaus kritisch zu betrachten, da die Norm aufgrund ihrer strengen Rechtsfolge – der Nichtigkeit – teils zu zufälligen Ergebnissen führt. Dies liegt insbesondere daran, dass die Rechtswirkung maßgeblich davon abhängt, ob der Zustellungsfehler zuerst vom Antragsgegner oder vom Gericht festgestellt wird. Dies beeinträchtigt insbesondere Gläubiger, die auf die Verlässlichkeit und Effizienz des Europäischen Mahnverfahrens vertrauen müssen. Die Norm führt daher zu einer gewissen Aushöhlung des Europäischen Zahlungsbefehls. Daher die Vorlage des Zentralen Mahngerichts Wedding.

Der EuGH hat nun geurteilt, dass die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 lediglich Mindestvorschriften für das Mahnverfahren aufstellt. Den Mitgliedstaaten sei es darüber hinaus freigestellt, zusätzliche Rechtsbehelfe zu schaffen, solange diese die Ziele und Grundsätze der Verordnung nicht beeinträchtigen. Dies gelte insbesondere für Fälle, in denen ein Zahlungsbefehl trotz fehlerhafter oder unterbliebener Zustellung vollstreckbar erklärt wurde. Dem trage die Regelung des § 1092a ZPO Rechnung. Daher sei diese auch europarechtlich konform.

Damit bleibt es allerdings bei der Problematik, dass die Regelung des § 1092a ZPO dem Ziel eines effizienten und verlässlichen Europäischen Mahnverfahrens entgegensteht. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit hängt faktisch weiterhin davon ab, wer den Zustellungsfehler zuerst bemerkt – der Antragsgegner oder das Mahngericht. Dies führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit, da der Antragssteller, der häufig keine Kenntnis vom Zustellungsverfahren hat, keine Möglichkeit besitzt, proaktiv auf etwaige Fehler einzuwirken. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Zustellung in vielen Mitgliedstaaten, wie in Deutschland, durch das Gericht erfolgt, weshalb der Antragssteller weder die Wahl des Zustellungswegs noch die Durchführung der Zustellung kontrollieren kann.

Diese strukturelle Benachteiligung schwächt letztlich das Mittel des Europäischen Mahnbescheids. Dies steht auch dem Ziel entgegen, den Zahlungsbefehl zu weitergehender Akzeptanz und Verbreitung zu verhelfen. In Anbetracht des nun ergangenen Urteils des EuGH dürften allerdings bis auf Weiteres keine Änderungen am § 1092a ZPO zu erwarten sein.