CISG bei Aufrechnung nicht anwendbar – Vorsicht bei der Rechtswahl

In einer jüngst veröffentlichten Entscheidung hat der BGH bekräftigt, dass bei einer Aufrechnung nicht das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) Anwendung findet. Selbst wenn der Vertrag eine Rechtswahl zu Gunsten des CISG vorsieht, so ist die Aufgrechnung hiervon nicht abgedeckt. Da die Aufrechnung nicht durch das CISG umfasst wird, bewertet sich das anwendbare Recht entsprechenden der ROM-I Verordnung. Für die Gestaltung von internationalen Lieferverträgen empfiehlt sich daher, neben dem CISG ein ergänzendes nationales Recht zu vereinbaren. Ansonsten drohen bei Ausflügen in ausländische Rechtsgebiete teils unerwartete Überraschungen, wie im nachfolgend dargestellten Fall einem deutschen Unternehmer gegenüber seinem italienischen Heschäftspartner. 

BGH, Urteil vom 14. 5. 2014 – VIII ZR 266/13

1. Bei Sachverhalten mit einer Verbindung zum Recht eines ausländischen Staates unterliegt die Aufrechnung gemäß Art. 17 Abs. 1 Rom I-VO der für die Hauptforderung berufenen Rechtsordnung mit der Folge, dass das Vertragsstatut der Hauptforderung auch über die Voraussetzungen, das Zustandekommen und die Wirkungen der Aufrechnung entscheidet. Das ist bei einer Aufrechnung gegen eine Forderung aus einem Kaufvertrag, der dem einheitlichen UN-Kaufrechtsübereinkommen (CISG) unterfällt, das unvereinheitlichte Recht des Staates, nach dessen Recht der Kaufvertrag ohne Eingreifen des Übereinkommens zu beurteilen wäre (Bestätigung des Senatsurteils vom 23. Juni 2010 – VIII ZR 135/08, WM 2010, 1712 Rn. 24, insoweit in BGHZ 186, 81 nicht abgedruckt).

2. Über eine nach dem anwendbaren ausländischen Recht als prozessrechtlich zu qualifizierende Aufrechnungsvoraussetzung ist ungeachtet der Frage, ob das deutsche Prozessrecht zu deren Feststellung eine damit übereinstimmende prozessuale Norm bereithält, in einem vor deutschen Gerichten geführten Prozess nach deutschem Recht unter Anwendung des nach den Regeln des Internationalen Privatrechts für das streitige Rechtsverhältnis maßgeblichen ausländischen Rechts zu entscheiden. Danach kann eine prozessuale Aufrechnungsvoraussetzung des ausländischen Rechts wie eine materiellrechtliche Vorschrift angewendet werden, wenn sie in ihrem sachlich-rechtlichen Gehalt den in §§ 387 ff. BGB als Teil des materiellen Rechts geregelten deutschen Aufrechnungsvoraussetzungen gleichkommt (Fortführung des Senatsurteils vom 9. Juni 1960 – VIII ZR 109/59, NJW 1960, 1720 unter II 1).

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EuGH: Ort des Schadenseintritts begründet internationale Zuständigkeit für Prospekthaftungsklagen

Postitive Nachrichten für private Investoren. In einer im Januar veröffentlichten Entscheidung, beschloss der EuGH, dass bei Prospekthaftungsklagen eine Zuständigkeit beim Ort des Schadenseintritts besteht. Dies führt insbesondere für Privatanleger zu einer Reihe von Vorteile, da hierdurch im Heimatstaat geklagt werden kann und nicht kosten- und zeitaufwendug am Sitz des Emittenten Rechtsschutz zu suchen ist. Eine abschließende Klärung zu Gunsten eines verstärkten Verbraucherschutzes ist hierin nicht zu sehen, nichtsdestotrotz handelt es sich für Privatanleger um eine Erleichterung beim Durchsetzen der eigenen Ansprüche (siehe zu diesem Thema auch – Deliktsgerichtsstand am Erfolgsort bei reinen Vermögensschäden).

EuGH, Urteil vom 28.1.2015C-375/13 (Handelsgericht Wien, Österreich)

1. Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass sich unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ein Kläger, der als Verbraucher eine Inhaberschuldverschreibung bei einem beruflich oder gewerblich handelnden Dritten erworben hat, ohne dass zwischen ihm und dem Emittenten dieser Schuldverschreibung ein Vertrag geschlossen worden wäre – was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist –, für eine Klage, mit der er den Emittenten aus den Anleihebedingungen, wegen Verletzung der Informations- und Kontrollpflichten sowie aus Prospekthaftung in Anspruch nimmt, nicht auf die in dieser Bestimmung vorgesehene Zuständigkeit berufen kann.

2. Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass sich unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ein Kläger, der eine Inhaberschuldverschreibung bei einem Dritten erworben hat, ohne dass ihr Emittent ihm gegenüber freiwillig eine Verpflichtung übernommen hätte – was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist –, für eine Klage, mit der er den Emittenten aus den Anleihebedingungen, wegen Verletzung der Informations- und Kontrollpflichten sowie aus Prospekthaftung in Anspruch nimmt, nicht auf die in dieser Bestimmung vorgesehene Zuständigkeit berufen kann.

3. Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass er für eine Klage, mit der der Emittent eines Zertifikats aus Prospekthaftung und wegen Verletzung sonstiger ihm obliegender Informationspflichten in Anspruch genommen wird, gilt, sofern diese Haftung keine Vertragsangelegenheit im Sinne von Art. 5 Nr. 1 dieser Verordnung ist. Nach Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 sind die Gerichte am Wohnsitz des Klägers in Anknüpfung an die Verwirklichung des Schadenserfolgs für eine solche Klage insbesondere dann zuständig, wenn sich der behauptete Schaden unmittelbar auf einem Bankkonto des Klägers bei einer Bank im Zuständigkeitsbereich dieser Gerichte verwirklicht.

4. Im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeit nach der Verordnung Nr. 44/2001 ist nicht erforderlich, zu strittigen Tatsachen, die sowohl für die Frage der Zuständigkeit als auch für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs von Relevanz sind, ein umfassendes Beweisverfahren durchzuführen. Dem angerufenen Gericht steht jedoch frei, seine internationale Zuständigkeit im Licht aller ihm vorliegender Informationen zu prüfen, wozu gegebenenfalls auch die Einwände des Beklagten gehören.

Die Kanzlei A & R Avvocati Rechtsanwälte bietet dabei Ihrem Unternehmen, eine vollumfassende Beratung bei grenzüberschreitenden Fällen und unterstützt Sie bei der Anwendung bestehender Rechtskniffe. Um mehr zum europäischen Recht zu erfahren, schreiben Sie uns doch einfach an. Unsere Anwälte in den Niederlassungen in München, Mailand und Padua helfen Ihnen gerne weiter.

 

Internationale Zuständigkeit bei Insolvenzanfechtungsklagen

Mittlerweile stellen sich bereits bei kleinen Unternehmen im Falle der Insolvenz eine Reihe schwieriger Fragen hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit. So findet sich bei nahezu jedem Unternehmen in irgendeiner Weise ein internationaler Bezug. Dies wirft nicht zuletzt für die Insolvenzanfechtung einige knifflige Fallstricke auf. Wo kann der Insolvenzverwalter etwaige Anfechtungsansprüche geltend machen, wenn der Anfechtungsgegner im Ausland sitzt? Art. 3 EuInsVO regelt ausdrücklich die Zuständigkeit des für die Eröffnung des Verfahrens kompetenten Gerichts, lässt allerdings expressis verbis die Frage der Zuständigkeit hinsichtlich weitere das Insolvenzverfahren betreffender Ansprüche offen. Der EUGH hat hierzu in seiner Entscheidung vom 12.02.2009 für Rechtssicherheit gesorgt und die Möglichkeit eröffnet, entsprechende Insolvenzanfechtungen, auch gegen ausländische Firmen, beim Insolvenzgericht geltend zu machen. Insbesondere für Insolvenzverwalter eine höchst positive Entscheidung.

EuGH, Urteil vom 12. 2. 2009 – C-339/07

Tenor der Entscheidung:

Art. 3 I der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. 5. 2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner, der seinen satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, zuständig sind.

Zum Sachverhalt:

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 I der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. 5. 2000 über Insolvenzverfahren (im Folgenden: EuInsVO; ABlEG Nr. L 160, S. 1) und Art. 1 II lit. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO; ABlEG 2001 Nr. L 12, S. 1). Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Seagon als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Frick Teppichboden Supermärkte GmbH (im Folgenden: Frick) und der Deko Marty Belgium NV (im Folgenden: Deko) wegen Rückzahlung von 50 000 Euro, die Frick an Deko gezahlt hatte.

Am 14. 3. 2002 überwies Frick, die ihren Sitz in Deutschland hat, 50 000 Euro auf ein bei der KBC-Bank in Düsseldorf geführtes Konto von Deko, einer Gesellschaft mit Sitz in Brüssel. Auf Grund eines am 15. 3. 2002 von Frick gestellten Antrags wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen durch das AG Marburg am 1. 6. 2002 eröffnet. Mit einer beim LG Marburg (Deutschland) eingereichten Klage verlangte Herr Seagon als Insolvenzverwalter von Frick – im Wege einer auf die Insolvenzdes Schuldners gestützten Anfechtungsklage – von Deko die Rückzahlung des genannten Betrags.

Das LG Marburg hat die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, dass es nicht international zuständig sei. Nach erfolgloser Berufung (OLG Frankfurt a. M., NZI 2006, 648) legte Herr Seagon Revision beim BGH ein. Unter diesen Umständen hat der BGH (NZI 2007, 538 = EuZW 2007, 582 = NJW 2007, 2512 L) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH seine Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Der EuGH hat wie aus dem Leitsatz ersichtlich entschieden.

Aus den Gründen:

Die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen betreffen die internationale Zuständigkeit der Gerichte bei Insolvenzanfechtungsklagen.

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die Insolvenzanfechtungsklage im deutschen Recht durch die §§ 129ff. InsO vom 5. 10. 1994 (BGBl I 1994, 2866) geregelt wird. Nur der Insolvenzverwalter kann diese Klage im Fall der Insolvenz erheben, und zwar ausschließlich zur Wahrnehmung der Interessen der Gesamtheit der Gläubiger. Nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen anfechten, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Gläubiger schädigen. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Anfechtungsklage verfolgt somit das Ziel, die Aktiva des Unternehmens, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, zu vermehren. Zu prüfen ist, ob Anfechtungsklagen in den Anwendungsbereich von Art. 3 I EuInsVO fallen. Hierbei ist eingangs daran zu erinnern, dass der EuGH im Rahmen seiner Rechtsprechung zum Übereinkommen vom 27. 9. 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABlEG 1972, Nr. L 299, S. 32) entschieden hat, dass eine Klage, die derjenigen glich, die im Ausgangsverfahren in Rede steht, sich auf ein Konkursverfahren bezieht, da sie unmittelbar aus diesem hervorgeht und sich eng innerhalb des Rahmens eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens hält (vgl. EuGH, Urt. v. 22. 2. 1979 – 133/78, Slg. 1979, I-733 = BeckRS 2004, 71542 = NJW 1979, 1771 L Rdnr. 4 – Gourdain/Nadler). Eine Klage, die derartige Merkmale aufweist, fällt daher nicht in den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens. Auf eben dieses Kriterium wird im sechsten Erwägungsgrund der EuInsVO zur Abgrenzung ihres Gegenstands abgestellt. So sollte sich nach diesem Erwägungsgrund die genannte Verordnung auf Vorschriften beschränken, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar auf Grund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen. In Anbetracht dieser Absicht des Gesetzgebers und der praktischen Wirksamkeit der genannten Verordnung ist ihr Art. 3 I dahin auszulegen, dass er dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für Klagen, die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch eine internationale Zuständigkeitzuweist. Eine solche Bündelung sämtlicher sich unmittelbar aus der Insolvenz eines Unternehmens ergebender Klagen vor den Gerichten des für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständigen Mitgliedstaats entspricht offenkundig auch dem im zweiten und im achten Erwägungsgrund der EuInsVO genannten Zweck der Verbesserung der Effizienz und der Beschleunigung der Insolvenzverfahren. Diese Auslegung wird auch durch den vierten Erwägungsgrund der EuInsVO bestätigt, demzufolge im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts verhindert werden muss, dass es für die Parteien vorteilhafter ist, Vermögensgegenstände oder Rechtsstreitigkeiten von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verlagern, um auf diese Weise eine verbesserte Rechtsstellung anzustreben (forum shopping). Die Möglichkeit, dass verschiedene Gerichte für in unterschiedlichen Mitgliedstaaten erhobene Anfechtungsklagen zuständig wären, würde darauf hinauslaufen, die Verfolgung eines derartigen Ziels zu schwächen. Schließlich findet die Auslegung von Art. 3 I , wie in Rdnr. 21 des vorliegenden Urteils aufgeführt, in Art. 25 I EuInsVO ihre Bestätigung. Denn Unterabs. 1 der letztgenannten Bestimmung verpflichtet zur Anerkennung der Entscheidungen zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens, die von einem Gericht erlassen wurden, dessen Entscheidung zur Eröffnung des Verfahrens nach Art.16 EuInsVO anerkannt wird, das heißt von einem nach Art. 3 I EuInsVO zuständigen Gericht. Gem. Unterabs. 2 von Art. 25 I EuInsVO gilt jedoch dessen Unterabs. 1 auch für Entscheidungen, die unmittelbar auf Grund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen. Diese Bestimmung räumt mit anderen Worten die Möglichkeit ein, dass die Gerichte eines Mitgliedstaats, in dessen Gebiet ein Insolvenzverfahren gem. Art. 3 I EuInsVO eröffnet worden ist, auch über eine Klage von der Art der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden befinden. In diesem Zusammenhang bedeutet die Wendung „auch wenn diese Entscheidungen von einem anderen Gericht getroffen werden”, die den letzten Satzteil von Art. 25 I Unterabs. 2 EuInsVO bildet, nicht, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber eine Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für die fragliche Art von Klagen hätte ausschließen wollen. Diese Wendung bedeutet insbesondere, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, das örtlich und sachlich zuständige Gericht zu bestimmen, das nicht zwangsläufig dasjenige der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sein muss. Darüber hinaus bezieht sich diese Wendung auf die in Art. 16EuInsVO vorgesehene Anerkennung von Entscheidungen zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 I EuInsVO dahin auszulegen ist, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner, der seinen satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, zuständig sind. In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

Neuer Europäischer Erbschein nach EU Verordnung 650/2012

Gute Nachrichten für all jene Erben, die es mit einem weit über die nationalen Grenzen reichenden Nachlass zu tun haben. Das europäische Parlament hat mit EU- Verordnung 650/2012 (zur Zuständigkeit, dem anzuwendenden Recht und der Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie der Einführung des Europäischen Nachlasszeugnisses) die Einführung eines einheitlichen Europäischen Erbscheins beschlossen.

Mit dem europäischen Erbschein wird es nunmehr möglich sein, die eigene Erbstellung (bzw. die eines Nachlassverwalter) europaweit geltend zu machen, was zweifelsohne einen großen Vorteil zu den bisherigen einzelstaatlichen Regelungen bedeutet. Durch die neue Regelung wird es somit nicht mehr erforderlich sein, in jedem einzelnen EU- Staat eine Anerkennung der eigenen Erbenstellung beatragen zu müssen, um eigene Ansprüche aus dem Nachlass durchsetzen zu können. So gibt der neue europäische Erbschein, analog zu einem deutschen Erbschein, Auskunft über das anzuwendende Recht, etwaige Vermögenswerte, Erbquoten sowie insbesondere der Person des oder der Erben. Ist aber in allen europäischen Staaten (mit Ausnahme von Großbritannien, Irland, Dänemark) wirksam.

Von dieser Regelung profitieren insbesondere:

  • Zukünftige Erben, denen lediglich ein von den nationalen Behörden ausgestelltes einheitliches Dokument ausreicht, welches nicht mehr in jedem Mitgliedsstaat gesondert anerkannt werden muss;
  • Testamentsvollstrecker, welche die das Amt ohne zusätzliche Verpflichtungen im Ausland erfüllen können;
  • Ausländische Gläubiger, welche nicht mehr mühsam den wirklichen Erben ausfindig machen müssen, sondern nunmehr lediglich eine Kopie des europäischen Erbscheins beantragen können;
  • Ausländische Schuldner, die nun gezielt feststellen können, zu Gunsten welcher Person mit schuldbefreiender Wirkung geleistet werden kann bzw. wer berechtigt ist, bestimmte Ware in Empfang zu nehmen.

In Deutschland sind laut den getroffenen Regelungen ausschließlich die Gerichte für den Erlass des Erbscheins zuständig, an denen der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte. In der italienischen Rechtsordnung dagegen bestand bislang keine Möglichkeit ein erbrechtlichen Nachweis im Sinne des in Deutschland gem. § 2353 BGB bestehenden Erbscheins zu erhalten. Für den Erlass eines europäischen Erbscheins in Italien sind nunmehr die jeweiligen Notare des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Erblassers zuständig. Diese haben, auf Antrag der Erben, einen europäischen Erbschein mit den oben genannten Informationen auszustellen. Dieser kann damit auch in solchen Rechtsordnungen, die bislang eine solche Erbscheinregelung nicht kannten, wie dies in Italien der Fall war, Dritten entgegengehalten werden, wobei europaweit eine Richtigkeitsvermutung des Erbscheins besteht. Bei entsprechenden Streitigkeiten hinsichtlich des erstellten Erbscheins sind in Italien die Gerichte des Geschäftssitzes des Notars zuständig, der den Erbschein erlassen hat. In Deutschland dagegen bleibt die Zuständigkeit bei den bereits für den Erlass zuständigen Gerichten.

Es bleibt zu unterstreichen, dass durch die neue europäische Regelung nicht die einzelnen national bestehenden Möglichkeiten des Erbnachweises ersetzt werden, sondern lediglich eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen wird, um die eigene Erbenstellung auch gegenüber Dritten durchzusetzen. Es kann somit auch weiterhin, wie bisher, lediglich ein deutscher Erbschein ausgestellt werden.

Die nunmehr geschaffene zusätzliche Möglichkeit, bietet allerdings insbesondere bei grenzüberschreitenden Nachlässen, erhebliche Vorteile und wird zukünftig die Durchsetzung der eigenen Ansprüche im europäischen Ausland nicht unwesentlich erleichtern. Sollte sich ein Teil der Erbschaft möglicherweise auch in Drittstaaten befinden (Ferienhäuser, Auslandskonten etc.), erscheint es daher absolut empfehlenswert von Anfang an auf die Ausstellung eines solchen europäischen Erbscheins hinzuwirken. Hierdurch können sowohl Kosten, als auch langwierige Anerkennungsverfahren und Streitigkeiten vermieden werden.

Neue europäische Verordnung zur Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen

Ab dem 10.01.2015 wird die europäische Verordnung 44/2001, welche die Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im Bereich des Zivil- und Handelsrechts innerhalb der EU geregelt hat, durch die neue Verordnung 1215/2012 ersetzt.
Die neue Verordnung führt sowohl einige Änderungen hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen ein, sowie zur Rechtshängigkeit und Verbindung von Klagen.

Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Abschaffung der notwendigen Anerkennungsverfahren von solchen Gerichtsentscheidungen, die in einem Mitgliedsstaat (bspw. Italien) erlassen wurden und nunmehr in einem anderen Mitgliedsstaat (bspw. Deutschland) vollstreckt werden sollen.
So sieht Art. 39 der neuen Verordnung vor, dass, „eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung, die in diesem Mitgliedstaat vollstreckbar ist, in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar ist, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf“. Damit entfällt die von der bisherigen Verordnung (44/2001) vorgesehene Vollstreckbarerklärung, was in Zukunft eine Gleichstellung der in den verschiedenen EU Staaten erlassenen Gerichtsentscheidungen mit den jeweiligen inländischen Entscheidungen bedeuten wird.
Folglich muss ein deutscher Unternehmer, der ein in Deutschland erwirkten Titel in Italien vollstrecken möchte, lediglich seiner Gegenseite eine Kopie der Entscheidung mit dem entsprechenden von dem deutschen Gericht erlassenen Formular (ordnungsgemäß auf Italienisch übersetzt) zustellen und kann dann im Anschluss zur Vollstreckung übergehen.
Die neue Regelung findet, ohne weitere notwendige Anerkennungsverfahren, auch auf öffentlich- rechtliche Rechtsakte, sowie auf gerichtliche Vergleiche Anwendung, insofern diese im Ursprungsland vollstreckbar sind.
Um mit der Vollstreckung dieser Titel verfahren zu können, muss vom Gericht des Ursprungslandes eine Bestätigung (auf der Grundlage des Formulars gem. Anlage 2 der neuen Verordnung) ausgestellt werden, aus der sich eine Zusammenfassung der vollstreckbaren Elemente des entsprechenden Rechtsakts oder des Vergleichs entnehmen lässt.
Was die Zuständigkeit in Hinblick auf Kauf- und Dienstverträge betrifft, sieht die neue Verordnung keine besonderen Veränderungen vor. Es bleibt bei dem Grundsatz, wonach die Zuständigkeit bei dem Gericht des Mitgliedsstaats liegt, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz, bzw. bei juristischen Personen den eigenen Rechtssitz, hat. Zudem besteht eine örtliche Gerichtszuständigkeit am vertraglich vorgesehenen Erfüllungsort, also an dem Ort, in dem die Hauptleistung zu erbringen ist.
Die Definition des hier beschriebenen Erfüllungsorts bleibt weitestgehend unverändert:
– Bei Kaufverträgen ist der Ort in einem Mitgliedstaat maßgebend, “an dem nach dem Vertrag geliefert worden ist oder hätten geliefert werden müssen” (Art 7.1(b) Alt. 1 Verordnung 1215/2012).
– Bei Dienstleistungen ist der Ort in einem Mitgliedsstaat maßgebend, „an dem diese nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen” (Art 7.1(b) Alt. 1 Verordnung 1215/2012).

Forderungseinzug in Italien – italienisches Mahnverfahren

Bei offenen Forderungen gegenüber Unternehmen mit Sitz in Italien stellt sich immer die Frage, wie diese Forderungen am besten eingezogen werden können. Dabei sollte jeder Fall einzeln geprüft werden, um die beste Lösung zu finden. Es empfiehlt sich, aufgrund der Besonderheiten des italienischen Mahnverfahrens, zunächst den Versuch zu unternehmen, eine außergerichtliche Einigung zu finden.

Sollte die außergerichtliche Geltendmachung der Forderung erfolglos verlaufen sein, kann ein Mahnverfahren (Procedimento di ingiunzione) nach italienischem Recht bei dem zuständigen Gericht am Wohnort des Schuldners eingeleitet werden. Das italienische Mahnverfahren findet hauptsächlich Anwendung bei Geldforderungen. Die Forderungen müssen fällig und frei von Einreden sein.

Anderes als in Deutschland, muss die Antragstellung des Mahnbescheides mit schriftlichen Beweisen (z.B. durch notariell beglaubigte Auszüge der Buchhaltung oder durch Rechnungen nebst Lieferscheinen), aus denen sich die Forderung gegenüber der Schuldner ergibt, eingereicht werden. Der Antrag ist gebührenpflichtig. Die Höhe der Gebühren hängt von der Höhe des Streitwertes ab. Dem Rechtsanwalt muss zudem eine notariell beglaubigte Vollmacht erteilt werden. In dem Mahnantrag (ricorso per decreto ingiuntivo) muss der Anwalt den Sachverhalt und den Anspruch des Gläubigers darlegen und die Beweise hinterlegen.

Das Gericht prüft die Begründetheit des Anspruches auf Basis der eingereichten Beweise. Nach Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen, erlässt das italienische Gericht einen Decreto ingiuntivo (Mahnbescheid). Der Decreto ingiuntivo soll dem Schuldner innerhalb 60 Tagen zugestellt werden.

Der Schuldner kann dann innerhalb von 40 Tagen ab Erhalt des Mahnbescheides Einspruch mit einer Klagschrift erheben. Die Klageschrift des Schuldners eröffnet automatisch ein ordentliches Gerichtsverfahren. Mit der Eröffnung eines ordentlichen Verfahrens entstehen höhere Gerichtskosten und Anwaltsgebühren.

Erfolgt kein Einspruch des Schuldners, kann die Vollstreckbarkeitserklärung des Decreto ingiuntivo beantragt werden. Mit dem Titel kann ein Vollstreckungsverfahren in Italien eingeleitet werden.

Aufgrund neuer gesetzlicher Regelungen muss der Mahnantrag ab dem 30. Juni 2014 auf digitalem Weg gemäß art. 16-bis Dekret 18.10.2012 n. 179 eingereicht werden (s. auch Der digitale Prozess in Italien). Die Einreichung in Papierform ist nicht mehr zulässig.

Die Kanzlei A & R Avvocati Rechtsanwälte mit den Niederlassungen in München, Mailand und Padua berät und unterstützt Sie und Ihr Unternehmen bei der Geltendmachung Ihrer Forderung vor Ort. Erfahrung und Kompetenz macht uns von A & R Avvocati Rechtsanwälte zu Ihrem fachkundigen Berater in Italien.