EuGH stärkt Verbraucherschutz bei Rabattaktionen: Einzelhändler müssen bei Preisangaben umdenken

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem wegweisenden Urteil (Rechtssache C-330/23) die Regelungen für Preisermäßigungen konkretisiert und sich dabei klar auf die Seite der Verbraucher gestellt. Die Entscheidung definiert präzise, wie Händler künftig Rabatte berechnen und ausweisen müssen.

Ausgangspunkt der Entscheidung war eine Beanstandung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen die Preiswerbung von Aldi Süd. Der Discounter hatte in seinen Werbeprospekten im Oktober 2022 mit Preisermäßigungen für Obst geworben. Bei Ananas wurde eine Preisermäßigung von „23%“ ausgelobt, während Bananen als „Preis-Highlight“ beworben wurden. In beiden Fällen zeigte die Werbung einen höheren, durchgestrichenen Preis. Lediglich im Kleingedruckten fand sich ein Hinweis auf den tatsächlich niedrigsten Preis der letzten 30 Tage. Diese Werbepraxis, welche zwischenzeitlich von einer Vielzahl von Einzelhändler praktiziert wurde – hielt die Verbraucherzentrale für rechtswidrig, da sie die Interessen der Verbraucher beeinträchtige und unlauter sei.

Die rechtliche Grundlage des Falls bildet Artikel 6a der Richtlinie 98/6/EG (nachfolgend „Richtlinie“). Dieser sieht vor, dass bei jeder Preisermäßigung der „vorherige Preis“ angegeben werden muss. Als solcher gilt der niedrigste Preis, den der Händler innerhalb der letzten 30 Tage vor der Preisermäßigung verlangt hat. Die zentrale Frage war dabei nicht, ob dieser „vorherige Preis“ angegeben werden muss – dies war unstrittig. Vielmehr ging es darum, anhand welchen Preises das Bestehen und die Höhe einer Ermäßigung berechnet werden müssen. Konkret ging es darum, ob es ausreichend sei, den vorherigen Preis zu Informationszwecken anzugeben (bspw. im Kleingedruckten) bzw. anhand von welche Richtpreis die Ermäßigung ausgewiesen werden müsse.

Der Gerichtshof stellte in seiner Entscheidung unmissverständlich klar, dass jede Preisermäßigung auf dem niedrigsten Preis der letzten 30 Tage basieren muss. Dies gilt sowohl für prozentuale Preisermäßigungen als auch für werbliche Hervorhebungen wie „Preis-Highlight“. Ein bloßer Hinweis im Kleingedruckten auf den niedrigsten 30-Tage-Preis reiche dabei nicht aus. Vielmehr müsse der Verbraucher klar erkennen können, welcher Preis als Richtwert diene. Dies könne im nachvollziehbaren Maß lediglich dann gewährleistet werden, wenn sich auch die Ermäßigung anhand des vorherigen Preises im Sinne von Art. 6a der Richtlinie (also dem niedrigsten der letzten 30 Tage) bemesse.

In seiner Begründung stützt sich der EuGH auf zentrale verbraucherschützende Prinzipien. Die Richtlinie ziele darauf ab, die Verbraucherinformation zu verbessern und den Preisvergleich zu erleichtern. Nach der Argumentation des EuGH spreche auch die die Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu Gunsten eines weitergehenden Verbraucherschutz. Verkaufspreise müssten demnach unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein. Diese Ziele würden beeinträchtigt, wenn bei einer Preisermäßigung zwar der „vorherige Preis“ angegeben werde, dieser aber nicht die tatsächliche Berechnungsgrundlage für die beworbene Preisermäßigung darstelle.

Die Entscheidung zielt damit insbesondere darauf ab, künstliche Preiserhebungen vor etwaigen Rabattaktionen zu verhindern. Der ermäßigte Preis darf nicht gleich hoch oder sogar höher sein als vorherige Preis, wobei hierunter nach dem EuGH der niedrigste Preis der letzten 30 Tage zu verstehen sei – genau dies war jedoch bei der beanstandeten Werbung von Aldi Süd der Fall. 

Der EuGH geht somit den Weg über Art. 6a der Richtlinie, um eine etwaige Irreführung der Verbraucher zu verhindern. Wenngleich der damit verbundene grundsätzliche Ansatz durchaus nachvollzogen werden kann, dürfte die normative Herleitung durchaus fragwürdig sein.

Dabei wurde Art. 6a der Richtlinie bislang durch einen Teil der Rechtslehre ein vorwiegend informativer Wesenszug beigemessen. Hierunter wurde die Pflicht der Unternehmen subsummiert, offen und transparent kommunizieren zu müssen. Dieser informative Zweck scheint auch durch den Wortlaut abgedeckt, wonach unstreitig (zumindest) der niedrigste Preis der letzten 30 Tage ausgewiesen werden müsse. Dies wurde auch durch die Aldi-Preisauszeichnung aufgenommen, da der niedrigste Preis – wenngleich kleingedruckt – auch ausgewiesen wurde. Die Argumentation des betroffenen Einzelhändlers sah hierdurch die normativen Vorgaben von Art. 6a der Richtlinie als erfüllt. Diese These dürfte auch durch nicht unbedeutende Teile der Rechtslehre gestützt sein. Die These wird auch dadurch gestärkt, dass der Wortlaut der Norm durchaus allgemein gehalten wurde, was eher für ein ausschließlich informativen Charakter der Norm hätte spreche können. Mit anderen Worten könnte man sagen, dass der Gesetzgeber – sofern eine solch weitereichende Wirkung des Art. 6a der Richtlinie tatsächlich gewollt gewesen wäre – dies durch eine restriktivere Formulierung problemlos hätte umsetzen können. Dies ist aber eben nicht erfolgt.

Nichtsdestotrotz greift der EuGH nun auf Art. 6a der Richtlinie zurück, um den jüngsten Entwicklungen in der Rabattpolitik und Ausweisung einen klaren Riegel vorzuschieben. Auch wenn nicht verkannt wird, dass hierin ein durchaus erhebliches Irreführungspotential vorhanden war, bleibt offen, in wie weit der nachvollziehbare Ansatz des EuGH den Wortlaut und den Zweck von Art. 6a der Richtlinie im Ergebnis nicht überstrapaziert.

Im Ergebnis führt die restriktive Auslegung der Richtlinie zu weitreichenden Folgen für den Einzelhandel und die Preispolitik der Unternehmen. Das Urteil stärkt damit die Position der Verbraucher deutlich und schafft klare, verbindliche Regeln für die Preiswerbung im Handel. Ob hierdurch auch für eine klare und stringente Auslegung der zugrunde gelegten Normen gesorgt wurde, bleibt dagegen abzuwarten. Dies wird sich u.a. vor dem Hintergrund der einschlägigen Kommentierungen des Urteils sowie der anstehenden gerichtlichen Rechtsfortbildung zeigen. Dabei wird nicht zuletzt spannend zu sehen sein, wie das Urteil des EuGH Einzug in die nationale Gerichtsbarkeit finden wird. Der EuGH hat mit dem vorliegenden Urteil einen vorläufigen Schlusspunkt gesetzt. Die hierdurch angestoßene Entwicklung dürfte aus praktischer Umsetzungssicht aber erst am Anfang stehen.


RA Fabrizio Renz